Problemstellung
Wird ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, stellt sich die Frage, inwieweit ein verbleibender gesetzlicher Mindesturlaub noch abgegolten werden muss. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied jüngst, dass selbst im Falle eines gerichtlichen Vergleichs nicht wirksam auf den gesetzliche Mindesturlaub verzichtet werden kann.
Der Sachverhalt
In dem vom BAG entschiedenen Fall (Az. 9 AZR 104/24) war ein Betriebsleiter von Anfang Januar 2019 bis Ende April 2023 beschäftigt. In diesem Zeitraum war der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Daher konnte er seinen (gesetzlichen) Urlaub für das Jahr 2023 nicht bis zum Beendigungszeitpunkt nehmen. Noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses einigten sich die Parteien im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs (im März 2023) darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2023 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro endet. Der Vergleich enthielt zudem die Klausel „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“.
Im Nachgang an dieses Gerichtsverfahren verklagte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber im Rahmen eines neuen arbeitsgerichtlichen Verfahrens auf Abgeltung von sieben gesetzlichen Urlaubstagen.
Rechtlicher Hintergrund
Das BAG sprach dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Nach Ansicht des Gerichts sei die Klausel aus dem gerichtlichen Vergleich („Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“) unwirksam.
§ 7 Absatz 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) erlaubt es Arbeitnehmern, nicht wahrgenommene Urlaubstage nach Beendigung des Arbeitsverhältnis ausgezahlt zu bekommen. Durch die in dem Vergleich aufgenommene Klausel sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub bereits vollständig durch tatsächliche Freizeitnahme erhalten hat, womit ein Abgeltungsanspruch entfallen würde. Da der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, konnte er allerdings faktisch den gesetzlichen Mindesturlaub nicht genommen haben.
Die in dem Prozessvergleich enthaltene Regelung sei nach Ansicht des BAG unwirksam, da sie eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Nachteil des Arbeitnehmers darstellt (vgl. § 134 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG). Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub sei insofern nicht möglich.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil stärkt die Position des Arbeitnehmers. Selbst wenn der Arbeitnehmer einem Vergleich mit entsprechender Verzichtsklausel zustimmt, behält er seine (gesetzlichen) Urlaubsabgeltungsansprüche und kann diese in einem neuem Gerichtsverfahren mit Erfolg geltend machen. Arbeitgebern ist daher zu raten, bestehende Urlaubsansprüche vor Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs sorgfältig zu prüfen und bei der Ausgestaltung der gerichtlichen Einigung angemessen zu berücksichtigen.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.