Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Rechtsberater in Koblenz
Magazin
Unser Infoservice für Sie
Samstag, 01.03.2008
Letzte Änderung: Mittwoch, 10.12.2025

Straßenverkehr und Einschränkung der Fahrtauglichkeit durch Übermüdung und Schlafapnoe



von
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

Rufen Sie mich an: 0261 - 404 99 25
E-Mail:

1. Einleitung

An Schlafstörungen leiden nach aktuellen Erkenntnissen sechs Millionen Deutsche. Weiterhin ist daher das Thema der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch unterschiedliche Arten von Schlafstörungen sehr praxisrelevant. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2021 insgesamt 1507 Unfälle mit Personenschaden registriert, bei denen Müdigkeit beim Autofahren vorlag. Nationalen wie internationalen Studien zufolge sollen bis zu 25 Prozent aller Getöteten im Straßenverkehr auf Müdigkeitsunfälle zurückzuführen sein. Die Fahrerlaubnisverordnung regelt die Konsequenzen von amtlich bekannt gewordenen Vorfällen im Zusammenhang mit Tagesschläfrigkeit. Schlafstörungen zählen zu den Mängeln, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen für längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können.

Dabei muss nicht etwa jeder Schlafapnoiker seinen Führerschein abgeben. Der vorliegende Beitrag informiert über die aktuelle Rechtslage, beschreibt die typischen Risiken für Schalapnoe-Erkrankte auf und zeigt Lösungen auf.

2. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen

Grundsätzlich müssen Bewerber um die Fahrerlaubnis gem. § 11 der deutschen Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 der FeV vorliegt. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wird hierdurch eingeschränkt bzw. ausgeschlossen. Bei Bewerbern um die Fahrerlaubnisklassen für Pkw und Motorräder führen die Fahrerlaubnisbehörden ohne erkennbaren Anlass keine Ermittlungen von selbst durch. Nur bestimmte Anhaltspunkte für das Vorhandensein für körperliche oder geistige Mängel können Zweifel an der Eignung aufkommen lassen. Werden der Führerscheinstelle nämlich Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung rechtfertigen, so kann sie einen Antrag ablehnen. Die Behörde kann bei bestimmten Anhaltspunkten die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (§ 11 Abs. 2 Satz 3), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4) anordnen. Die Eignung hat jedoch nicht nur für Neuantragsteller Bedeutung, sondern für diejenigen, die bereits eine gültige Fahrerlaubnis besitzen. Bei gesundheitlichen Mängeln kann es zu Entziehungen der Fahrerlaubnis gem. § 11 in Verbindung mit § 46 FeV kommen.

3. Kenntnisnahme der Verwaltungsbehörde von Eignungsmängeln

Die Verwaltungsbehörde wird üblicherweise auf gesundheitliche Mängel durch Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Verkehrsunfälle aufmerksam. Die Strafverfolgungsorgane und Gerichte informieren in der Regel die Führerscheinstellen bei Anhaltspunkten über Eignungsmängel.

Der Schlafapnoekranke hat jedoch keine Offenbarungspflicht gegenüber der Führerscheinstelle oder der Polizei. Sollte es zu einem Verkehrsunfall eines chronisch Müden gekommen sein, steht dem Beschuldigten ein gesetzliches Schweigerecht zu. Daher sollte er gegenüber der Polizei keinerlei Angaben zu den Ursachen des Verkehrsunfalls, schon gar nicht freiwillig preisgeben, eingeschlafen zu sein. Dies führt sogar dazu, dass dadurch ein Strafverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB eingeleitet wird, da sich ein Anfangsverdacht ergeben hat, dass das Vorkommnis im Straßenverkehr mit körperlichen Mängeln zusammenhängt.

4. Regelungen in Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung zu Schlafstörungen

Der Gesetzgeber differenziert in Ziff. 11.2. nach unbehandelten und behandelten Schlafstörungen. Weiter ergibt sich aus der Tabelle unter welchen Voraussetzungen eine Eignung bzw. bedingte Eignung vorliegt. Ist der Betroffene bedingt geeignet, so unterliegt er Beschränkungen/Auflagen. Die Fahrerlaubnis von chronisch Erkrankten ist (ggf. nachträglich) mit entsprechenden Auflagen/Bedingungen zu versehen.

Trotz Schlafstörungen soll nach dem Willen des Gesetzgebers nach Ziff. 11.2.1 die Fahrtauglichkeit erhalten bleiben, wenn keine messbar auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt und der Betroffene behandelt wurde. Nur Betroffene mit behandelten Schlafstörungen sollen also bedingt fahrtauglich bleiben. Damit werden all diejenigen, die auf ihre Krankheit noch nicht aufmerksam geworden sind, und daher noch keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen konnten, künftig als untauglich zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Art angesehen. In jedem Fall fordert der Gesetzgeber bei Schlafstörungen als Auflagen auch nach einer Behandlung regelmäßige Kontrollen von Tagesschläfrigkeit. Dies bedeutet, dass selbst der Betroffene, der keine auffällige Tagesschläfrigkeit mehr hat und ausreichend behandelt wurde, auch nur unter der Bedingung seinen Führerschein behält, wenn er sich regelmäßigen Kontrollen unterzieht.

Unter Ziff. 11.2.3 regelt die Fahrerlaubnisverordnung weiter die Frage der Eignung bei obstruktivem Schlafapnoe Syndrom (OSAS) mittelschwer/schwer (mittelschwer: Apnoe-Hypopnoe-Index zwischen 15 und 29 pro Stunde; schwer: Apnoe-Hypopnoe-Index von
mind. 30 pro Stunde). Hier bleibt die Eignung bestehen, unter geeigneter Therapie und wenn keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt.

Beschränkungen unterliegt der Betroffene hier insoweit, als die Verordnung die ärztliche Begutachtung und regelmäßige ärztliche Kontrollen in Abständen von höchstens drei Jahren vorschreibt.

5. Verlängerung von Fahrerlaubnissen der Gruppe 2

Bei den LKW-Führerscheinklassen D, D1, DE und D1E müssen Führerscheininhaber ab dem 50. Lebensjahr bei der Verlängerung einen Nachweis für einen Funktions- und Leistungstest vorlegen. Dies ist gerechtfertigt und sinnvoll wegen des größeren Gefährdungspotentials der von ihnen geführten Kraftfahrzeuge. Unterbleibt ein Nachweis, so verfällt die Fahrerlaubnis der Gruppe 2. Möchten sich Verkehrsteilnehmer der zuvor benannten Fahrerlaubnisse ihren Führerschein verlängern lassen, müssen sie zur Feststellung ihrer Eignung der Fahrerlaubnisbehörde einen Nachweis nach Maßgabe der Anlage 5 vorlegen, § 11 IX FeV. Oftmals bedenken Führerscheininhaber dieser Gruppe 2 nicht, dass bei derartigen Untersuchungen im fortgeschrittenen Lebensalter auch Mängel zutage treten können, die dann sogar die Eignung zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 (Klassen A und B) einschränken können. Zum Teil werden vom Fahrerlaubnisinhaber auch im Rahmen der Untersuchung gesundheitliche Probleme offenbart, die dann vom Arzt protokolliert werden. Damit wird nicht nur die Verlängerung der Lkw Fahrerlaubnis abgelehnt, die meist gar nicht mehr benötigt wird, sondern auch die Pkw Fahrerlaubnis entzogen. In diesem Fall riskiert der Führerscheininhaber, dass ihm alle Führerscheinklassen wegen fehlender Fahrtauglichkeit nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV entzogen werden können. Ferner kann die Führerscheinstelle bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers ein fachärztliches Gutachten anordnen. Der Rechtsanwalt wird meist erst eingeschaltet, wenn ein Antrag auf Verlängerung der Fahrerlaubnisse gestellt ist und die gesundheitlichen Mängel bereits der Führerscheinbehörde mitgeteilt wurden. Zuvor hätte der Betroffene die Möglichkeit, auf die Fahrerlaubnissen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE oder D1E zu verzichten, wenn diese ohnehin nur selten noch zum Einsatz kommen. Da für die Fahrerlaubnis der Klasse B keine Verlängerung notwendig ist, würde der Führerscheininhaber durch einen Verzicht auf die Klassen 2 seine Pkw-Fahrerlaubnis sicher behalten.

6. Exemplarischer Verfahrensablauf

Erfährt die Führerscheinstelle vom Vorliegen eines Schalapnoesyndroms, wird der Fahrerlaubnisinhaber regelmäßig zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens binnen einer Frist aufgefordert. Die Zukunft der Fahrerlaubnis ist dann von den Ergebnissen der Untersuchung abhängig. Typische Fragestellungen sind etwa, ob der Untersuchte trotz des Vorliegens einer Erkrankung, die nach Ziff. 11.2.3 der Anlage 4 der FeV die Fahreignung in Frage stellt, weiterhin in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden. Darüber hinaus wird gefragt, ob eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme, Hinweise auf ggf. selbstinduzierte Unter- oder Überdosierung usw.) vorliegt und Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich sind, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 weiterhin gerecht zu werden. Ferner wird gefragt, ob (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 FeV (ärztliche Kontrollen) erforderlich ist bzw. sind. Ferner soll das Gutachten Stellung beziehen, in welchen zeitlichen Abständen und wie lange Kontrollen notwendig sind und was regelmäßig kontrolliert und attestiert werden soll, und ob und in welchem zeitlichen Abstand eine Nachuntersuchung erforderlich ist.  Oftmals ergeben sich aus dem ausführlichen ärztlichen Gutachten Eignungszweifel oder es werden seitens des Arztes engmaschige Kontrolluntersuchungen für erforderlich gehalten. Gelegentlich wird auch eine sog. „Fahrverhaltensbeobachtung“ gefordert. Im Rahmen dieser Fahrverhaltensüberprüfung wird geklärt, ob es fahreignungsrelevante Einschränkungen des kognitiven Leistungsvermögens gibt. Eine Fahrverhaltensbeobachtung stellt eine Fahrt im Beisein einer beauftragten Fahrschule und dem Begutachtenden dar. Wird diese weitere Begutachtung nicht fristgerecht vorgelegt, wird auf die Nichteignung geschlossen und der Führerschein wird entzogen.

 

Wird gegen Sie ein Verwaltungsverfahren oder Strafverfahren eingeleitet, so sollte unbedingt die Hilfe eines verkehrsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden.

 

 

Abbildung: 

Krankheiten, Mängel Eignung oder bedingte Eignung Eignung oder bedingte Eignung Beschränkungen/Auflagen bei bedingter
 Eignung
Beschränkungen/Auflagen bei bedingter
 Eignung
11.2 Schlafstörungen   Klassen A, A1, B, BE, M, S, L, T   Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF

  Klassen A, A1, B, BE, M, S, L, T

 Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF
11.2.1 unbehandelte Schlafstörungen mit Tagesschläfrigkeit nein
wenn messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt
nein
wenn messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt
                              -                                -
11.2.2 behandelte Schlafstörungen mit Tagesschläfrigkeit ja
wenn keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt
ja
wenn keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt
Regelmäßige Kontrollen von Tagesschläfrigkeit Regelmäßige Kontrollen von Tagesschläfrigkeit

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.