Fahrerlaubnis und Schlafapnoe
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Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm
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„Die Neuerungen in der
Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zur
Bekämpfung der Gefährdung des
Straßenverkehrs durch Schlafapnoe
und sonstige chronische
Schlafstörungen“*
1. Einleitung
Laut Unfallstatistik waren im Jahr 2005
insgesamt 1.700 Unfälle auf Sekundenschlaf
zurückzuführen. Nach Angaben der
Bundesanstalt für Straßenwesen ist
Übermüdung die zweithäufigste Ursache für
Lkw-Unfälle. Untersuchungen zufolge führen
die unterschiedlichen Schlafstörungen zu
einer beträchtlichen Leistungseinschränkung
im Alltag. Personen mit Schlafapnoe haben
daher statistisch eine siebenmal höhere
Unfallrate als andere motorisierte
Verkehrsteilnehmer. Ca. 24 % der LKW-Unfälle
im Straßenverkehr sind auf Einschlafen
zurückzuführen. Der deutsche Gesetzgeber hat
auf die alarmierend hohe Zahl von
ermüdungsbedingten Verkehrsunfällen
reagiert. Da die Unfallursache
"Müdigkeit" mittlerweile von der
Gefährlichkeit her mit Alkohol oder Drogen
im Straßenverkehr gleichzusetzen ist, fühlte
sich der Gesetzgeber zum Handeln
verpflichtet und ergänzte am 15. Juni 2007
die Verordnung über die Zulassung von
Personen zum Straßenverkehr
(Fahrerlaubnisverordnung) in Bezug auf
Schlafstörungen. Nur in wenigen Ländern
(drei US-Staaten, Kanada, Großbritannien,
Schweden) gab es bis dato bereits
Vorschriften für Berufskraftfahrer mit
unbehandelter Schlafapnoe.
Schlafstörungen zählen von nun an zu den
Mängeln, die die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen für längere Zeit
beeinträchtigen oder aufheben können.
Schlafstörungen sind Zustände, die einen
Menschen daran hindern, erholsam zu schlafen
und dadurch eine starke Tagesmüdigkeit
hervorrufen. Zu Schlafstörungen zählen
Insomnien (Ein- und Durchschlafstörungen mit
Auswirkungen auf das Befinden am Tage) und
Hypersomnien (erhöhtes Schlafbedürfnis und
übermäßige Tagesschläfrigkeit)
einschließlich der schlafbezogenen Atem-
(Schlafapnoesyndrome) und
Bewegungsstörungen. Nach den Ergebnissen des
vom Robert Koch-Institut durchgeführten
Bundes-Gesundheitssurvey 1998 (18- bis
79-Jährige) geht hervor, dass 8 Prozent der
Frauen und 3 Prozent der Männer an starker
Schlaflosigkeit leiden. Die Beschwerde
Hypersomnie (starkes übermäßiges
Schlafbedürfnis) wurde im
Bundes-Gesundheitssurvey 1998 von 9,1
Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der
Männer angegeben. Im Einzelnen hat der
Gesetzgeber unter den einzelnen
Schlafkrankheiten keine Differenzierungen
mehr vorgenommen, was angesichts der
Tatsache, dass die Schlafmedizin zwischen
über 80 verschiedenen Formen von
Schlafstörung unterscheidet, verständlich
ist. Schlafapnoekranke werden also nicht
expressiv verbis erwähnt.
In Selbsthilfegruppen und sonstigen
Vereinigungen von Schlafapnoeerkrankten geht
aufgrund der Neuerung die Angst um. Es
besteht der verbreitete Irrglaube, jeder
Schlafapnoiker müsse seinen Führerschein
abgeben oder dürfe sich nicht mehr ans
Steuer setzen. Der vorliegende Beitrag
befasst sich mit der bisherigen Rechtslage
sowie den gesetzlichen Neuerungen und legt
diese unterteilt nach Fahrzeugklassen dar.
Ferner wird erklärt, unter welchen
Voraussetzungen tatsächlich die Gefahr einer
Entziehung der Fahrerlaubnis besteht und
welche Rechtsmittel hiergegen statthaft
sind.
2. Die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen
Grundsätzlich müssen Bewerber um die
Fahrerlaubnis gem. § 11 der deutschen
Fahrerlaubnis-Verordnung die hierfür
notwendigen körperlichen und geistigen
Anforderungen erfüllen (In § 11 (Eignung)
FeV heißt es: „(1) Bewerber um eine
Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen
körperlichen und geistigen Anforderungen
erfüllen. 2Die Anforderungen sind
insbesondere nicht erfüllt, wenn eine
Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4
oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder
die bedingte Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird.
3Außerdem dürfen die Bewerber nicht
erheblich oder nicht wiederholt gegen
verkehrsrechtliche Vorschriften oder
Strafgesetze verstoßen haben, so dass
dadurch die Eignung ausgeschlossen wird.
4Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse D
oder D1 müssen auch die Gewähr dafür bieten,
dass sie der besonderen Verantwortung bei
der Beförderung von Fahrgästen gerecht
werden.“). Die Anforderungen sind
insbesondere nicht erfüllt, wenn eine
Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 der
Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt. Die
Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wird
hierdurch eingeschränkt bzw. ausgeschlossen.
Bei Bewerbern um die Fahrerlaubnisklassen
für Pkw und Motorräder führen die
Fahrerlaubnisbehörden ohne erkennbaren
Anlass keine Ermittlungen von selbst durch.
Nur bestimmte Anhaltspunkte für das
Vorhandensein für körperliche oder geistige
Mängel können Zweifel an der Eignung
aufkommen lassen. Werden der
Führerscheinstelle nämlich Tatsachen
bekannt, die Bedenken gegen die Eignung
rechtfertigen, so kann sie einen Antrag
ablehnen. Die Behörde kann bei bestimmten
Anhaltspunkten die Beibringung eines
ärztlichen Gutachtens (§ 11 Abs. 2 Satz 3),
in besonderen Fällen ein
medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11
Abs. 3) oder ein Gutachten eines amtlich
anerkannten Sachverständigen oder Prüfers
für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4)
anordnen. Im Fall der Anordnung eines
medizinisch-psychologisches Gutachtens
(„MPU“) besteht für den Betroffenen die
besondere Problematik, dass 80 % der
Prüflinge diese Eignungsuntersuchung beim
ersten Mal nicht bestehen. Die Eignung hat
jedoch nicht nur für Neuantragsteller
Bedeutung, sondern für diejenigen, die
bereits eine gültige Fahrerlaubnis besitzen.
Bei gesundheitlichen Mängeln kann es zu
Entziehungen der Fahrerlaubnis gem. § 11
Abs. 1 Satz 1 und § 46
Fahrerlaubnis-Verordnung kommen ( In § 46
(Entziehung, Beschränkung, Auflagen) FeV
heißt es: „(1) Erweist sich der Inhaber
einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum
Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die
Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu
entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn
Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4,
5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder
wiederholt gegen verkehrsrechtliche
Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen
wurde und dadurch die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.“)
Erlaubnisinhaber von besonderen
Führerscheinklassen (C, C1, CE, D, D1, DE
und D1E), also Lkw-, Bus- und Taxifahrer,
müssen sich ihre Fahrerlaubnis verlängern
lassen und hierzu einen Nachweis ihrer
Fahrtauglichkeit erbringen. Unterbleibt ein
Nachweis, so verfällt die Fahrerlaubnis.
Schon vor Einführung der Neuerungen in die
Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zur Bekämpfung
der Gefährdung des Straßenverkehrs durch
Schlafapnoe und sonstige chronische
Schlafstörungen war die Teilnahme am
Straßenverkehr im übermüdeten Zustand eine
Sorgfaltspflichtverletzung, bei Vorliegen
von Ermüdungsvorzeichen wurde sogar grobe
Fahrlässigkeit angenommen. Folgerichtig war
das Einschlafen am Steuer infolge von
Ermüdung in der Rechtsprechung als Mangel im
Sinne der Fahrerlaubnisverordnung anerkannt,
da nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein
gesunder, ausgeruhter Mensch ohne Alkohol-
Narkotika- oder Medikamenteneinwirkung beim
Fahren nicht ohne vorherige Anzeichen
einnickt.
3. Kenntnisnahme der Verwaltungsbehörde
von Eignungsmängeln
Die Verwaltungsbehörde hat gem. § 2 VII
StVG von Amts wegen sorgfältige
Feststellungen über etwaige Eignungsbedenken
zu treffen, also auch aufzuklären, ob
körperliche oder geistige Mängel vorliegen.
Aufgrund der Schutzpflicht (Art. 2 II GG)
für hochrangige Rechtsgüter wie Gesundheit
und Leben von Verkehrsteilnehmern ist der
Staat verpflichtet, insoweit rechtzeitig und
ausreichende Maßnahmen zu ergreifen. Dies
berechtigt die Behörde allerdings nicht
dazu, den Bewerber über bislang unbekannte,
eignungsmindernde oder -ausschließende
Tatsachen zu befragen (vgl. § 22 II FeV - §
22 II FeV lautet: „1Die
Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob
Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum
Führen von Kraftfahrzeugen bestehen und er
bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis ist.
2Sie
hat dazu auf seine Kosten eine Auskunft aus
dem Verkehrszentralregister und dem
Zentralen Fahrerlaubnisregister einzuholen.
3Sie
kann außerdem auf seine Kosten - in der
Regel über das Kraftfahrt Bundesamt - eine
Auskunft aus den entsprechenden
ausländischen Registern einholen und
verlangen, dass der Bewerber die Erteilung
eines Führungszeugnisses zur Vorlage bei der
Fahrerlaubnisbehörde nach den Vorschriften
des Bundeszentralregistergesetzes beantragt.
4Werden
Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die
Eignung des Bewerbers begründen, verfährt
die Fahrerlaubnisbehörde nach den §§ 11
bis 14.“). Die Verwaltung wird auf
atypisches Verhalten von
Fahrerlaubnisinhabern in erster Linie durch
wiederholte Verstöße gegen
verkehrsrechtliche Vorschriften aufmerksam.
Die Staatsanwaltschaften und Gerichte
informieren in der Regel die
Führerscheinstelle bei Anhaltspunkten über
Eignungsmängel, vor allem also bei
anhängigen Strafverfahren. Dies ergibt sich
aus der Anordnung über Mitteilungen in
Strafsachen (MiStrA). Nach Nr. 45 MiStrA
sind in Strafsachen, in denen die Entziehung
der Fahrerlaubnis in Betracht kommt, der
zuständigen Verwaltungsbehörde Beschlüsse
gem. § 111a StPO, der Ausgang des Verfahrens
sowie rechtskräftige Beschlüsse gem. § 69a
VII StGB mitzuteilen. Die Entziehung der
Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB droht in der
Regel bei den Tatbeständen Gefährdung des
Straßenverkehrs gem. § 315 c StGB,
Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB,
unerlaubten Entfernen vom Unfallort gem. §
142 StGB und Vollrausch gem. § 323 c StGB.
Hier wird der Täter im Regelfall als
ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen
angesehen. Aber auch anonyme Hinweise können
Anlass für weitere Ermittlungen geben,
rechtfertigen aber nach ständiger
Rechtsprechung allein noch keine
Gutachtenanforderung. Der Schlafapnoekranke
hat jedoch keine Offenbarungspflicht
gegenüber der Führerscheinstelle. Sollte es
zu einem Verkehrsunfall eines chronisch
Müden gekommen sein, steht dem Beschuldigten
ein gesetzliches Schweigerecht zu. Daher
sollte er gegenüber der Polizei keinerlei
Angaben zur Sache machen, schon gar nicht
freiwillig seine Krankheit preisgeben.
Ferner hat er Anspruch auf Hinzuziehung
eines von ihm zu wählenden Verteidigers (§
136 I S. 2 StPO). Werden der Behörde
Tatsachen bekannt, so hat der Bewerber die
Gelegenheit zur Äußerung (§ 2 StVG).
4. Neuerungen in Anlage 4 der
Fahrerlaubnis-Verordnung
Der Gesetzgeber hat in Anlage 4 der
Fahrerlaubnis-Verordnung, die es auch zuvor
schon gab, Regelungen zur Eignung und
bedingten Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen für Menschen mit chronischen
Schlafstörungen aufgenommen. Der Gesetzgeber
hat sich für eine tabellarische Darstellung
entschieden, die aufgrund der Einteilung in
fünf Spalten am Rande der Übersichtlichkeit
liegt (vgl. Abb.).
Differenziert wurde im Wesentlichen in
unbehandelte und behandelte Schlafstörung.
Weiter ergibt sich aus der Tabelle unter
welchen Voraussetzungen eine Eignung bzw.
bedingte Eignung vorliegt. Ist der
Betroffene bedingt geeignet, so unterliegt
er Beschränkungen/Auflagen. Die
Fahrerlaubnis von chronisch Erkrankten ist
(ggf. nachträglich) mit entsprechenden
Auflagen/Bedingungen zu versehen.
Unbehandelte Schlafstörungen sollen nach
dem Willen des Gesetzgebers nach Ziff.
11.2.1 zur Untauglichkeit führen, wenn eine
messbar auffällige Tagesschläfrigkeit
vorliegt. Nur Betroffene mit behandelten
Schlafstörungen sollen bedingt fahrtauglich
bleiben, unter der Voraussetzung, dass keine
messbar auffällige Tagesschläfrigkeit mehr
vorliegt. Damit werden all diejenigen, die
auf ihre Krankheit noch nicht aufmerksam
geworden sind, und daher noch keine
ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen
konnten, künftig als untauglich zum Führen
von Kraftfahrzeugen aller Art angesehen.
Dies sind laut Angaben der Deutschen
Gesellschaft für Schlafforschung und
Schlafmedizin zehn Prozent aller
Bundesbürger.
Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass
nur „ausreichende“ Behandlungen von
Schlafstörungen zum Erhalt der
Fahrtauglichkeit führen können, schließlich
darf keine auffällige Tagesschläfrigkeit
mehr vorliegen. Eine Behandlung muss sich
also bereits positiv ausgewirkt haben. Die
Frage, was der Gesetzgeber unter einer
ausreichenden „Behandlung“ versteht, wird
jedoch offen gelassen. Die vom Gesetzgeber
genannten Begrifflichkeiten „messbar“ und
„auffällig“ sind unbestimmte
Rechtsgriffe, die ausgelegt werden müssen.
Verlangt werden muss hier, dass ärztliche
Hilfe in Anspruch genommen wird oder eine
Therapie absolviert worden ist. Die
bedeutendste Behandlungsform von Schlafapnoe
ist die CPAP-Therapie, die zur Behandlung
vorübergehender Atemstillstände während des
Schlafens dient. Die Abkürzung CPAP steht
für Continuous Positive Airway Pressure
(Kontinuierlicher Atemwegsüberdruck). Schon
drei bis vier Wochen nach Beginn einer
CPAP-Therapie ist die Fahrtauglichkeit nach
wissenschaftlichen Erkenntnissen im
Regelfall wiederhergestellt. Nicht
ausreichend dürfte allein die Teilnahme an
einer Selbsthilfegruppe ohne fachliche
medizinische Betreuung sein.
In jedem Fall fordert der Gesetzgeber bei
chronischen Schlafstörungen als Auflagen
auch nach einer Behandlung regelmäßige
Kontrollen von Tagesschläfrigkeit. Dies
bedeutet, dass selbst der Betroffene, der
keine auffällige Tagesschläfrigkeit mehr hat
und ausreichend behandelt wurde, auch nur
unter der Bedingung seinen Führerschein
behält, wenn er sich regelmäßigen Kontrollen
unterzieht. Die in der Anlage 4 vorgenommene
Bewertung gilt übrigens nur für den
Regelfall. Kompensationen durch besondere
menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung,
durch besondere Einstellung oder durch
besondere Verhaltenssteuerungen und
-umstellungen sind möglich (Vorbem. 3 der
Anlage 4 der FeV. Hier heißt es: „Die
nachstehend vorgenommenen Bewertungen gelten
für den Regelfall. Kompensationen durch
besondere menschliche Veranlagung, durch
Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder
durch besondere Verhaltenssteuerungen und
-umstellungen sind möglich. Ergeben sich im
Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann
eine medizinisch-psychologische Begutachtung
angezeigt sein.“). Umgekehrt ist die
enthaltene Zusammenstellung nicht
abschließend. Die besprochene Einteilung mag
in der gesetzlichen Form neu sein. Schon vor
der Einführung der Unterteilung war jedoch
in Rechtsprechung und Literatur
unumstritten, dass Therapien zur
Wiederherstellung der Fahreignung führen
können.
Die tabellarische Darstellung der
Eignungsmängel in Anlage 4 bietet für die
Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde eine
verlässliche Handhabe, um ähnlich wie bei
einer Verwaltungsvorschrift den
Gesetzeswortlaut korrekt auszulegen.
5. Neuerungen in Anlage 5 der FeV
Die Fahrerlaubnisbehörde kann bei
Inhabern eines Führerscheins in den
dargestellten Formen Kenntnis von Mängeln
erhalten. Zusätzlich werden Bewerber um die
Erteilung oder Verlängerung einer
Fahrerlaubnis zum Führen von Lkw, Bussen und
Taxen nach Anlage 5 der Verordnung künftig
regelmäßig auf das Vorliegen einer
Erkrankung mit erhöhter Tagesschläfrigkeit
gescreent. Dies ist gerechtfertigt und
sinnvoll, weil an die Fahreignung von Lkw-,
Bus- und Taxifahrern wegen des größeren
Gefährdungspotentials der von ihnen
geführten Kraftfahrzeuge und wegen ihrer
besonderen Verantwortung bei der Beförderung
von Fahrgästen erhöhte Anforderungen zu
stellen sind. Nach § 11 Abs. 9 FeV haben die
Bewerber um die Erteilung oder Verlängerung
einer Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, CE,
C1E, D, D1, DE oder D1E zur Feststellung
ihrer Eignung der Fahrerlaubnisbehörde daher
einen Nachweis nach Maßgabe der Anlage 5
vorzulegen. In Anlage 5 der
Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), die die
Eignungsuntersuchung für Lkw-Bus- und
Taxifahrern regelt, wurde ein neuer Punkt
14. „Erkrankungen mit erhöhter
Tagesschläfrigkeit (z.B. Schlafstörungen)“
aufgenommen. Im Rahmen dieser sog.
Screening-Untersuchungen ist der
untersuchende Arzt angehalten, nach
typischen Symptomen für das Vorliegen von
Erkrankungen mit erhöhter Tagesschläfrigkeit
wie nicht erholsamem Schlaf, übermäßiger
Müdigkeit am Tage oder Einschlafen am Steuer
zu fragen. Bei Vorhandensein solcher
Symptome, also im Falle eines konkreten
Verdachts auf das Vorliegen einer derartigen
Erkrankung, ist eine weitergehende
Diagnostik erforderlich. Sollte sich im
Rahmen dieser weitergehenden Diagnostik der
Verdacht auf das Vorliegen einer solchen
Erkrankung bestätigen, sind gegebenenfalls
entsprechende Konsequenzen im Hinblick auf
die Fahrerlaubnis der Betroffenen zu ziehen.
Entfällt für Erlaubnisinhaber nach Anlage 5
die Fahrerlaubnis, so können sich nämlich
aus diesen Einschränkungen im Einzelfall
Konsequenzen für die Berufsausübung ergeben,
wenn eine für die Berufsausübung
erforderliche Fahrerlaubnis zum Führen
bestimmter Kraftfahrzeuge wegen fehlender
Fahreignung nicht erteilt oder verlängert
werden kann. Dies zeigt, wie einschneidend
die Neuregelungen wirken können. Gerade im
Speditions- und Logistikbereich kann das
Übermüdungsproblem in vielen Fällen zum
Beispiel auch auf eine unzureichende
Nachtruhe zurückzuführen sein. Die
Übermüdungsgefahr sollte zusätzlich durch
die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Ausweitung
der täglichen Ruhezeit) vermindert werden.
6. Rechtsschutz bei fehlerhaften
Verfügungen der Fahrerlaubnisstellen
Erhält die Führerscheinstelle Kenntnis
von der Schlafstörung, muss demnach
ernsthaft mit der Entziehung der
Fahrerlaubnis oder der Ablehnung eines dahin
gehenden Antrages gerechnet werden. Geht die
Verwaltungsbehörde in einer
Führerscheinentziehungsverfügung von
falschen Tatsachen aus, z.B. von einer
unbehandelten Schlafstörung oder
Tagesschläfrigkeit, kann gegen den
Verwaltungsakt innerhalb eines Monats seit
Zustellung der Anordnung Widerspruch
eingelegt werden. Wird bei ehem. Inhabern
einer Fahrerlaubnis der sofortige Vollzug
der Führerscheinentziehung angeordnet, muss
der Führerschein zwar umgehend abgegeben
werden, da ein Widerspruch dann gem. § 80 II
Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat.
Im Eilrechtsschutz vor dem zuständigen
Verwaltungsgericht kann der Betroffene
jedoch Hilfe beanspruchen und Klage gem. §
80 V VwGO einreichen. Das Gericht stellt die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
wieder her, wenn der Verwaltungsakt nach der
im Aussetzungsverfahren möglichen
summarischen Prüfung offensichtlich
rechtswidrig ist. In diesem Fall so
überwiegt das private Interesse an seiner
Außervollzugsetzung. Dem
Hauptsacherechtsschutz bleibt die endgültige
Klärung der Streitfrage überlassen.
7. Konsequenzen der
Führerscheinentziehung
Wird die Fahrerlaubnis – vorläufig
– entzogen, darf der Schlafapnoiker nicht
mehr Fahrzeuge im Straßenverkehr führen,
ansonsten droht eine Bestrafung wegen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 StVG(§
21 I (Fahren ohne Fahrerlaubnis) StVG
lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem
Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die
dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat
oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44
des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses
Gesetzes verboten ist, oder 2. als Halter
eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt,
dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu
erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder
dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des
Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses
Gesetzes verboten ist.“). Um eine im
Einzelfall nicht mehr bestehende Fahreignung
wiederherzustellen und damit die
Voraussetzungen für die Neu- oder
Wiedererteilung ihrer Fahrerlaubnis zu
schaffen, müssen sich die Betroffenen eine
gegebenenfalls bestehende Schlafstörung so
behandeln lassen, dass keine messbar
auffällige Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt.
8. Fazit und Ausblick
Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen
Kokainkonsums oder Medikamenten- und
Alkoholmissbrauchs befasst die Gerichte
seither. Neu ist dagegen die Gleichstellung
derartiger charakterlicher Eignungsmängel
mit Schlafstörungen und Schlafapnoe.
Angesichts aktueller Statistiken fühlte sich
der Gesetzgeber zum Handeln verpflichtet.
Gegen erhebliche Widerstände von
Selbsthilfegruppen und sonstigen
Interessenvereinigungen hat der Gesetzgeber
die Fahrerlaubnisverordnung nunmehr dahin
gehend ergänzt, dass nicht behandelte
Personen mit Schlafstörungen regelmäßig nach
dem neuen Gesetzwortlaut der Ziff. 11.2.1
der Anlage 4 der FeV künftig nicht mehr
tauglich zum Führen von Fahrzeugen sein
sollen, wenn eine messbare auffällige
Tagesschläfrigkeit vorliegt. Diese Regelung
erscheint insgesamt interessengerecht und
ermöglicht dem Erkrankten, die notwendigen
körperlichen und geistigen Anforderungen
durch geeignete Behandlungsformen von
Schlafapnoe (z.B. CPAP-Therapie)
wiederherzustellen. Abzuwarten bleibt, ob
die Neuregelungen zu einer maßgeblichen
Zunahme der Kontrolldichte durch die
Verwaltungsbehörden führen und welche
Maßstäbe die Rechtsprechung bei der
Auslegung der Vorschrift anlegen wird.
Abbildung:
Krankheiten,
Mängel
|
Eignung oder
bedingte Eignung
|
Beschränkungen/Auflagen bei
bedingter
Eignung
|
11.2
Schlafstörungen
|
Klassen A, A1, B, BE, M, S, L, T
|
Klassen
C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF
|
Klassen A, A1, B, BE, M, S, L, T
|
Klassen
C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF
|
11.2.1
unbehandelte Schlafstörungen mit
Tagesschläfrigkeit
|
nein
wenn messbare auffällige
Tagesschläfrigkeit vorliegt
|
nein
wenn messbare auffällige
Tagesschläfrigkeit vorliegt
|
|
|
11.2.2
behandelte Schlafstörungen mit
Tagesschläfrigkeit
|
ja
wenn keine messbare auffällige
Tagesschläfrigkeit vorliegt
|
ja
wenn keine messbare auffällige
Tagesschläfrigkeit vorliegt
|
Regelmäßige
Kontrollen von Tagesschläfrigkeit
|
Regelmäßige
Kontrollen von Tagesschläfrigkeit
|
(die Abbildung entspricht der vom
Gesetzgeber vorgenommenen tabellarischen
Aufstellung häufig vorkommender Erkrankungen
und Mängel in
Anlage 4 der FeV)
Literaturverzeichnis:
Böhning, Wilfried, Das
Schlafapnoe-Syndrom - Ein wenig beachtetes
Unfallrisiko - Schlafstörungen und
Tagesmüdigkeit als Unfallursache, NZV 1997,
S. 142 ff.
Fromm, Ingo, Straf- und bußgeldrechtliche
Risiken des Schlafapnoekranken im
Straßenverkehr, Schlafapnoe Aktuell 2007, S.
31 f.
ders., Änderungen der FeV zulasten von
Schlafapnoe-Kranken, Das Schlafmagazin 4/07,
S. 22 ff.
Gehrmann, Ludwig, Bedenken gegen die
Kraftfahrereignung und Eignungszweifel in
ihren grundrechtlichen Schranken, NZV 2003,
S. 10 ff.
Hentschel, Peter, Straßenverkehrsrecht,
Kommentar, 38. Aufl., München 2005
* Die Erstveröffentlichung erfolgte in
der Zeitschrift Pneumologie 2008, 387 ff.
Die Ausführungen stellen eine erste Information dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell war. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie
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