Rechtsanwalt Markus Schmuck, Rechtsberater in Koblenz
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Dienstag, 13.09.2005

Verladerverantwortlichkeit: Wenn der Hammer fällt



von
Markus Schmuck
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht

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Dr. jur. Gerhard Wolter
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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Walter P., Logistikleiter eines großen Elektronikherstellers, flucht. Auf seinem Schreibtisch ist ein Bußgeldbescheid in Höhe von 2800 Euro gelandet, weil ein Fahrer seines Transportdienstleisters kräftig gegen die Lenk- und Ruhezeitenverordnung verstoßen hat. „Wieso muss ich dafür bezahlen, wenn mein Transporteur seine Disposition nicht im Griff hat?“ denkt P. und greift zum Telefon. Zwei Stunden später ist er klüger: Tatsächlich konnte der Dienstleister seine Zeitvorgaben nur erfüllen, wenn der Fahrer eineinhalb Stunden länger unterwegs war, als in der Lenk- und Ruhezeitenverordnung vorgeschrieben. Damit trifft P. eine Mitverantwortung, die sein Unternehmen viel Geld kostet.

Dieser Fall ist fiktiv, aber er könnte sich durchaus so abspielen. Schuld daran ist eine unüberschaubare Fülle von Vorschriften und Urteilen, die Nicht-Juristen schlicht und einfach überfordert. Dringend notwendig ist also, dass sich sowohl Transporteure als auch Verlader detailliert über ihre Rechte und vor allem über ihre Pflichten klar werden.

Transporteure in der Pflicht

Transportunternehmen können diese Aufgabe leichter bewältigen als ihre Kunden – für sie ist der rechtliche Rahmen bereits seit Jahren abgesteckt. Wichtigster Punkt ist, dass die Transporteure bußgeldrechtlich für die Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten sowie der Pausen durch die Fahrer verantwortlich sind. Diese Vorschriften sind in den EG-Verordnungen, zum Beispiel VO 561/2006, geregelt. Achtet ein Unternehmer nicht auf deren Einhaltung, so kann die entsprechende Ordnungswidrigkeit nach dem Fahrpersonalgesetz mit einer Geldbuße von bis zu 15.000 Euro geahndet werden. Dabei spielt es eine unerhebliche Rolle, ob das Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. 

Vorsicht ist auch geboten, wenn ein Beförderungszeitplan mit dem Verlader vereinbart wird. Ist dabei nicht sichergestellt, dass die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten sowie die Pausen eingehalten werden, kann ebenfalls eine Geldbuße von bis zu 15.000 Euro pro Fall verhängt werden. Schließlich sind die Transporteure dazu verpflichtet, die Lenk- und  Ruhezeiten lückenlos zu dokumentieren. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, greift wieder das Fahrpersonalgesetz: Für Ordnungswidrigkeiten in diesem Bereich sieht das Gesetz ebenfalls Geldbuße von bis zu 15.000 Euro pro Fall vor.

Der zweite, nicht unerhebliche Rechtsbereich, mit dem sich Fuhrunternehmen auseinandersetzen müssen, ist in Paragraf 22 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Dieser Paragraf fordert ganz klar, dass die Ladung einschließlich der Geräte zur Ladungssicherung so verstaut und gesichert werden müssen, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlichem Ausweichmanöver nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können.

Weniger klar ist die Vorschrift, dass bei der Ladungssicherung die anerkannten Regeln der Technik beachtet werden müssen. Was darunter im Einzelnen zu verstehen sein soll, ist in höchstem Maße umstritten und abhängig vom Einzelfall. Oft genug moniert die Bußgeldstelle eine unzureichende Ladungssicherung, obwohl diese nicht zutrifft. Um einem lästigen und langwierigen Streit vorzubeugen, sollten Transportunternehmer ihre Fahrer regelmäßig in Fragen der Ladungssicherung schulen lassen. 

Eigentlich selbstverständlich ist, dass sich Fuhrunternehmer an die Vorschriften des Paragraf 31 StVO halten. Dieser besagt: „Der Halter eines Fahrzeugs darf die Inbetriebnahme des Fahrzeugs oder eines Zugs miteinander verbundener Fahrzeuge nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet.“ Im Klartext heißt dies nichts anderes, als dass der Sattel- oder Lastzug ohne technische Mängel und mit korrekt gesicherter Ladung unterwegs sein muss und der Fahrer die entsprechende Qualifikation, sprich den notwendigen Führerschein, vorweisen kann. Hinzu kommt, dass der Halter eines Fahrzeugs zur Kasse gebeten werden kann, wenn sein Fahrzeug überladen am Straßenverkehr teilnimmt. Schließlich ist der Unternehmer dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass sämtliche Fahrer von den Einzelheiten zulässiger Ladung Kenntnis haben.

 Verlader sind mit im Haftungs-Boot

Diese Anforderungen an die Transportwirtschaft sind allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass der Gesetzgeber sowie einige Bußgeldbehörden - und zurzeit noch regional begrenzt auch Gerichte – gegen die verladende Wirtschaft ermitteln oder Verurteilungen aussprechen.

So kann nun auch gegen den Versender nach dem neuen Fahrpersonalgesetz eine Geldbuße von bis zu 15.000 Euro pro Einzelfall verhängt werden, wenn die zwischen Auftraggeber und Transporteur vertraglich vereinbarten Beförderungszeitpläne nicht gesetzeskonform sind. Bestreitet also eine Spedition die „Machbarkeit“ einer Disposition unter Hinweis auf den Auftraggeber der „zu enge Zeitkorridore setzten würde“, wird nunmehr automatisch gegen das Verladeunternehmen, also den Versender ermittelt. Die Konsequenzen sind absehbar. Sie lassen sich nur aushebeln, wenn der Verlader den Nachweis erbringen kann, dass sein Zeitplan die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie der Pausen sichergestellt hat.

Weniger Kopfzerbrechen bereitet die derzeit gängige Praxis der Bußgeldbehörden bei Verstößen von Transportunternehmen hinsichtlich Verkehrsicherungspflichten, Überladungen oder Ladungssicherungsverstößen auch gegen die Verlader oder Verladeverantwortlichen zu ermitteln. Derzeit können aber aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage weder der Verlader noch der Versender für die Verkehrssicherheit der Ladung bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Anders sieht es lediglich bei dem Transport von Gefahrgut aus. Hier gelten zusätzliche rechtliche Vorschriften und Gesetze.

Damit ist aber das Problem der Haftung von Verlader beziehungsweise Versender in diesem Bereich nicht vom Tisch: Die Oberlandesgerichte Stuttgart und Celle haben zwei anders lautende Entscheidungen gefällt, die in der Regel von den Bußgeldbehörden angeführt werden. Das OLG Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 27.12.1982 (Verkehrsrechtssammlung, Band 64, Seite 308) die Auffassung vertreten, dass sich Paragraf 22 StVO nicht nur an den Führer und den Halter eines Fahrzeugs, sondern darüber hinaus an jedermann richte, der für die ordnungsgemäße Verstauung der Ladung verantwortlich ist, insbesondere aber an denjenigen, der unter eigener Verantwortung das Fahrzeug beladen hat. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung vom 28.02.2007 (OLG Celle in: NStZ-RR 2007, Seite 215) die Ansicht vertreten, dass auch den Versender der zu transportierenden Gegenstände die Pflicht zur verkehrssicheren Ladung treffe.

Beide Entscheidungen werden jedoch von der Mehrheit der kundigen Juristen abgelehnt, denn sie lassen das im Straf- und Bußgeldrecht geltende Analogieverbot (Art. 103 II Grundgesetz, Art. 7 EMRK) außer acht. Folgende Argumente sprechen gegen eine analoge, geschweige denn direkte Anwendung des Paragraf 22 StVO:

  • Die amtliche Überschrift des Paragraf 23 StVO lautet „sonstige Pflichten des Fahrzeugführers“. Diese Formulierung indiziert, dass Paragraf 23 StVO eine Ergänzung zu Paragraf 22 StVO darstellt, also die („sonstigen“) Pflichten des Fahrzeugführers nennt, die über die in Paragraf 22 StVO normierten Pflichten hinausgehen. Demnach kann es sich bei den in Paragraf 22 StVO genannten Pflichten ausschließlich um die (allgemeinen) Pflichten des Fahrzeugführers, nicht aber um solche dritter Personen handeln. 
  • Im Bußgeldkatalog existiert kein Tatbestand, in dem der Verlader/Versender explizit als Verantwortlicher benannt wird.
  • Es erscheint abwegig, jemanden, der selbst weder am Straßenverkehr teilnimmt noch – wie beispielsweise der Verlader – die Möglichkeit hat, auf denjenigen, der das Fahrzeug tatsächlich im öffentlichen Verkehr in Betrieb nimmt, einzuwirken, nicht nur mit einer Geldbuße, sondern darüber hinaus mit Punkten in Flensburg zu belasten; letzteres würde bereits bei dem Geschäftsführer einer kleinen Firma in kürzester Zeit zu dem Entzug der Fahrerlaubnis führen.

Angesichts dieser uneinheitlichen – wenngleich fehlerhaften – Rechtsprechung müssen Verlader/Versender ihr jeweiliges Risiko einwerten, um sich nicht in Verfahren mit Geldbußen und Punkteeinträgen in Flensburg zu verstricken.

Bußgelder vermeiden

Logistikunternehmen können und müssen das Risiko bußgeldrechtlicher Haftung/Verfolgung dadurch minimieren, dass sie für die unterschiedlichen, bußgeldrechtlich relevanten Bereiche einen Verantwortlichen bestimmen. Bei regelmäßiger mindestens stichprobenartiger Kontrolle zwischen den Unternehmensebenen stellt so die Geschäftsführung oder der Vorstand hinreichend sicher, dass die relevanten Risiken bei dem beauftragten Transportunternehmen nicht auftreten. Es reicht nicht aus, darauf zu vertrauen, dass das beauftragte Transportunternehmen korrekt handelt. Werden dessen Arbeiten durch festgelegte Kontrollmechanismen überwacht, kann bereits dadurch die bußgeldrechtliche Ermittlung/Ahndung beim Logistikunternehmen gestoppt werden. Wer ganz sicher gehen will, sollte eine Compliance-Regelung einführen oder entsprechende Regelungen in das Qualitätsmanagement-System aufnehmen. Walter P. hat das sicherlich schon getan.

 

Transporteur Verlader
keine Vereinbarung von Beförderungszeitplänen, die die Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten nicht sicherstellen keine Vereinbarung von Beförderungszeitplänen, die die Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten nicht sicherstellen
verantwortlich für die Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten durch die Fahrer -
verantwortlich für die Dokumentation der Lenk- und Ruhezeiten -
verantwortlich für die Ladungssicherung nach OLG Stuttgart und OLG Celle: verantwortlich für die Ladungssicherung
verantwortlich für die Verkehrssicherheit der Fahrzeuge -
verantwortlich dafür, dass kein Fahrzeug überladen in den Verkehr gelangt nach OLG Stuttgart und OLG Celle: auch mitverantwortlich für eine Überladung
keine Entlohnung nach Fahrtstrecken oder Gütermengen -

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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