Rechtsanwältin Elena Schorr, Rechtsberater in Koblenz
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Freitag, 01.07.2022

Der Einfluss der Abnahme auf die Gewährleistung



von
Elena Schorr
Rechtsanwältin

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Im Rahmen eines Werk- bzw. Bauvertrages stehen dem Auftraggeber (Besteller) im Falle einer mangelhaften, d.h. nicht vertragsgemäßen Leistung des Auftragnehmers (Unternehmers) verschiedene Mängelrechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu. 

Allen voran und vorrangig 

  • das Recht auf Mangelbeseitigung / Nacherfüllung durch den Unternehmer, verbunden mit dem Recht einen angemessenen Teil des Werklohns zurückzuhalten bis die Mangelbeseitigung erfolgt ist.

Weitergehende Mängelrechte, wie etwa 

  • das Recht zur Selbstvornahme der Mangelbeseitigung, verbunden mit dem Anspruch auf Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen, 
  • verschiedene Schadenersatzansprüche, 
  • das Recht zur Minderung der Vergütung 

sowie

  • das Recht vom Vertrag zurückzutreten

setzen grundsätzlich voraus, dass dem Unternehmer zuerst die Gelegenheit zur Nacherfüllung und Nachbesserung gegeben wurde. Erst wenn er diese ungenutzt lässt, ausdrücklich erklärt keine Nachbesserung vornehmen zu wollen oder eine ihm zur Mangelbeseitigung gesetzt, angemessene Frist verstreichen lässt, können die weiteren Mängelrechte geltend gemacht werden.

Wichtig und zu beachten ist, dass der Besteller die oben genannten Mängelrechte nicht von Beginn an, sondern grundsätzlich erst nach Fertigstellung und Abnahme der Werk- bzw. Bauleistung geltend machen kann. Dies hat der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in mehreren Urteilen Anfang 2017 ausdrücklich klargestellt (BGH, Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 193/15 sowie VII ZR 301/13 und VII ZR 193/15). 

Demnach lässt sich der Werk- bzw. Bauvertrag in zwei Phasen unterteilen:

1)     die sog. „Erfüllungsphase“, vom Vertragsschluss bis zur Fertigstellung der Werk- bzw. Bauleistung

und 

2)     die sog. „Nacherfüllungsphase“, nach Fertigstellung und Abnahme der Werk- bzw. Bauleistung.

Das heißt jedoch nicht, dass der Besteller in der sog. „Erfüllungsphase“ gänzlich rechtlos gestellt ist. Vor Abnahme stehen ihm die Rechte nach dem sog. „allgemeinen Leistungsstörungsrecht“ des BGB zu, die in ihrer Rechtsfolge teilweise identisch mit denen des Mängelgewährleistungsrechte sind. So sieht auch das allgemeine Schuldrecht des BGB Schadenersatzansprüche, ein Recht zur Kündigung und ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag vor, die jedoch allesamt voraussetzen, dass dem Unternehmer zuerst ausreichend  Gelegenheit zur Erfüllung des Vertrages gegeben wird.

Hinzu kommt, dass in den oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) verschiedene Ausnahmekonstellationen genannt sind, in denen der Besteller Mängelrechte auch bereits vor - bzw. ohne Abnahme geltend machen kann.

Da die Rechtslage insoweit sehr komplex ist und viele Fragen, die sich in Folge der Entscheidungen des BGH ergeben, bis heute umstritten sind, empfiehlt es sich im Streitfalle stets anwaltlichen Rat einzuholen, bevor man sich durch eine vorschnelle Kündigung oder einen vorschnellen Rücktritt vom Vertrag selbst den Weg zu berechtigten Ansprüchen abschneidet.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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