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Freitag, 13.09.2024

Schadenersatz des Bieters im Vergaberecht

Eine (einzigartige?) Entscheidung des Bundesgerichtshofs



von
Karl Heuser
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Vergaberecht

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Hat der BGH eine neue Anspruchsvoraussetzung für Schadenersatz in Höhe des positiven Interesses im Vergaberecht geschaffen, die Bieter in Zukunft bei ihrer Forderung wegen Verletzung ihrer Rechte vorweisen müssen?

 

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) - Urteil vom 08.12.2020 Az.: XIII ZR 19/19 zeigt die Voraussetzungen auf, unter denen ein erstplatzierter Bieter vom Auftraggeber Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses verlangen kann. Während sich der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren – „negatives Interesse“- unmittelbar aus der Spezialvorschrift des § 181 Satz 1 GWB (daneben auch aus den Grundsätzen des Verschuldens bei der Vertragsanbahnung - culpa in contrahendo) ergeben kann, ergibt sich ein weitergehender Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns – „positives Interesse“ - nur nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo gemäß § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB.

 

Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) schreibt in einem ersten Vergabeverfahren die Beschaffung eines Wohngebäudes EU-weit nach der VOB/A aus. Bieter A reicht das günstigste Angebot ein. Nachdem A die Angebotsfrist verlängerte und auf ein weiteres Verlangen des AG auf Angebotsfristverlängerung nicht reagierte, hob der AG das Vergabeverfahren wegen Wegfalls des Beschaffungsbedarfs auf. Kurze Zeit später leitete der AG ein zweites Vergabeverfahren, mit dem selben Beschaffungsinhalt wie im ersten Verfahren, ein. A konnte diesmal nicht das günstigste Angebot einreichen, sodass Bieter B bezuschlagt wurde.

 

Entscheidung

Auf die von A eingeleitete Schadensersatzklage hin, verurteilte das OLG Karlsruhe als Berufungsgericht den AG zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des negativen und positiven Interesses. Der BGH reduzierte den Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse. Es bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach, weil der AG keinen Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 vorweisen konnte, es sich also um eine rechtswidrige Aufhebung des Vergabeverfahrens handelte. Der Ersatz des positiven Interesses komme jedoch nur dann in Betracht, wenn im Vergabeverfahren der Zuschlag an den falschen Bieter erteilt wird. Dem sei es gleichzustellen, wenn der AG die Ausschreibung grundlos aufhebt und denselben Auftrag in einer Neuausschreibung an einen anderen Bieter vergibt, der den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen. Das sei zwar hier der Fall. Zusätzlich sei es aber, laut BGH, erforderlich, dass der AG die Ausschreibung in der Absicht aufgehoben hat, den Auftrag an einen anderen als den Bestbieter vergeben zu können. Daran fehle es aber hier.

 

Rezeption der Entscheidung und Empfehlung 

Der BGH führt eine neue Anspruchsvoraussetzung ein, es bedarf nun zusätzlich der Absicht des AG einen nicht zuschlagsberechtigten Bieter anstelle des Bestbieters beauftragen zu wollen. Dies könnte man als „Benachteiligungsabsicht“ bezeichnen. Viele Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung wollen nun diese „Benachteiligungsabsicht“ als Voraussetzung bei allen Schadensersatzansprüchen auf das positive Interesse anwenden. Ob sich dies in der Praxis einführen und durchsetzen lassen wird, erscheint aber äußerst fraglich und wird vom Verfasser verneint. Es ist eher anzunehmen, dass diese Entscheidung, bezogen auf diesen Einzelfall einzigartig bleibt.

 

Wir empfehlen deshalb jedem betroffenen Bieter in einem vergleichbaren Fall, die Möglichkeit der Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche prüfen zu lassen. Insoweit sollte sich kein Bieter von der nun zusätzlich aufgestellten Voraussetzung des BGH abschrecken lassen. Ob eine weitere Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen die Einlegung einer Rüge ist, ist in der Rechtsprechung sehr umstritten. Insoweit hat der BGH in zwei Urteilen (vom 18. Juni 2019, X ZR 86/17 und vom 17. September 2019, X ZR 124/18) entschieden, dass es einem Unternehmen, das in einem Vergabeverfahren einen Vergabeverstoß nicht gerügt oder eine Rüge wieder zurückgenommen hat, nicht verwehrt sei, anschließend vor den Zivilgerichten Schadensersatz einzufordern – anders zum Beispiel das OLG Celle Urteil des vom 18.1.2018, Az. 11 U 121/17. Wir empfehlen grundsätzlich unverzüglich Rüge einzulegen, sobald ein Vergaberechtsverstoß erkannt wird.

 

Insoweit gilt die Devise: Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig gerügt!

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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