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Die meisten Gerichte sind bei Ordnungsgeldern eher zurückhaltend. Das man sich hierauf nicht verlassen sollte, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden. Google als Betreiber von Youtube hat 100.000 € Ordnungsgeld zu zahlen.
Vor kurzem haben wir berichtet, dass ein Gericht in einem familienrechtlichen Verfahren ein Ordnungsgeld von 6.000 € gegen eine Mutter verhängte, weil diese gerichtliche Anordnungen nicht einhielt. Dies war bereits als hohes Ordnungsgeld in einer solchen Sache zu bewerten, zumal der Ordnungsgeldrahmen dort bis 25.000 € geht.
Im Fall des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Beschl. v. 29.6.2021 – 4 W 396/21) wurde aber sogar ein Urteil missachtet. In diesem Fall geht der Ordnungsgeldrahmen bis 250.000 € oder sechs Monate Ordnungshaft. In der Praxis erlebt man nun nur selten Ordnungsgelder im fünfstelligen Bereich. Selbst wenn die beteiligten Unternehmen hunderte Millionen Umsatz erzielen, bleiben Ordnungsgelder bei einem ersten Verstoß in der Regel im vierstelligen Bereich.
Der Betreiber von Youtube hatte das Oberlandesgericht Dresden allerdings besonders dreist und missachtend behandelt.
Das OLG hatte mit Urteil vom 20.04.2021 (4 W 118/21) Youtube verpflichtet, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, ein bestimmtes, von dem dortigen Verfügungskläger auf der Plattform hochgeladenes Video
von der Plattform der Verfügungsbeklagten zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer Verwarnung zu versehen.
Da das Video zu dem Verkündungszeitpunkt 20.04.2021 von Youtube gesperrt worden war, enthält eine solche Unterlassungsverpflichtung auch die Pflicht, das gesperrte Video wieder zu entsperren und die zuvor ausgesprochene Verwarnung zurückzunehmen. Diese Pflicht wird mit Verkündung des Urteils sofort ausgelöst. Das Urteil ist also sofort zu beachten und es müssen entsprechende Handlungen vorgenommen werden, um es umzusetzen. Vorliegend gab es ohnehin auch keinen Grund für weitere Überlegungen, denn ein weiteres Rechtsmittel gegen das Urteil gab es nicht. Es handelte sich um ein sogenanntes Einstweiliges Verfügungsverfahren, also ein vorläufiges Eilverfahren. Youtube könnte dagegen nur das sogenannte Hauptsacheverfahren erzwingen, müsste aber erst einmal das Urteil im Einstweiligen Verfügungsverfahren beachten.
Der Betreiber der Videoplattform hatte offenbar ein anderes Verständnis vom Rechtssystem und setzte das Urteil nicht sofort um. Dem Ordnungsgeldbeschluss ist zu entnehmen, dass er der Ansicht war, dieses Urteil eines deutschen Gerichts noch einmal selbst überprüfen zu dürfen, weil er in dem Video
einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen"
wollte. Dies konnte sich das Gericht von dem anwaltlich vertretenen internationalen Plattformbetreiber nicht bieten lassen. Unser Gesellschaftssystem baut schließlich darauf auf, dass gerichtliche Urteile uneingeschränkt zu beachten sind. Weil zehn Tage nach der Verkündung des Urteils, d.h. am 30.04.2021, das Video immer noch nicht wieder freigeschaltet war, hatte der Betroffene an diesem Tag einen sogenannten Ordnungsgeldantrag gestellt. Dies gab den Gerichten die Möglichkeit gegen die Missachtung des Urteils einzuschreiten. Tatsächlich umgesetzt wurde das Urteil dann übrigens erst am 14.05.2021, indem das Video dann wieder abrufbar war.
Wie oben bereits geschildert, sind Gerichte häufig zurückhaltend mit Ordnungsgeldern. Zunächst hatte das Landgericht Chemnitz zu entscheiden, welches Ordnungsgeld angemessen war. Es hat als erste Instanz im Ordnungsgeldverfahren nur ein Ordnungsgeld von 1.000 € verhängt. Offenbar war das Landgericht davon ausgegangen, dass technische Gründe die Freischaltung hinderten.
Das Oberlandesgericht konnte diese Begründung nicht nachvollziehen, denn für das OLG war der wahre und von Google auch zugegebene Grund die eigene interne Überprüfung des Urteils. Dies sah das Gericht als vorsätzliche Missachtung der gerichtlichen Unterlassungsverfügung. Der Verstoß wiegt angesichts seiner Zeitdauer auch schwer. Die Wirtschaftskraft des Plattformbetreibers musste für das Gericht zu einem sehr hohen Ordnungsgeld führen.
Zu Gunsten der Videoplattform wertet das OLG, dass es sich um einen Erstverstoß handelte. Von einem Erstverstoß spricht man, wenn ein erstes Ordnungsgeld ausgesprochen wird, weil eine gerichtliche Anordnung missachtet wird. Es gibt dreiste Verurteilte, die sich aber von einem Ordnungsgeld nicht beeindrucken lassen, d.h. obwohl das Ordnungsgeld ausgesprochen wurde, ihr Verhalten trotzdem nicht ändern. Dann kann der Gläubiger erneut ein Ordnungsmittelverfahren einleiten. Dieses betrifft dann einen wiederholten Verstoß bei dem die Ordnungsgelder deutlich höher ausfallen. Das Oberlandesgericht hat bereits angedeutet, dass im vorliegenden Fall für einen solchen wiederholten Verstoß dann auch ein Ordnungsgeld von 250.000 € angezeigt gewesen wäre.
Da es sich aber um einen Erstverstoß handelte, ließ das Gericht noch Luft für Verschärfungen im Wiederholungsfall und setzte das Ordnungsgeld auf 100.000 € fest. Es hat keine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.