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Dienstag, 01.06.2010

Örtliche Zuständigkeit beim Vorwurf des Anordnens bzw. Zulassens der Inbetriebnahme von Fahrzeugen



von
Markus Schmuck
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht

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Einleitung

Wird ein LKW einer Spedition weit entfernt von dem Sitz des Unternehmens durch Ordnungsbehörden kontrolliert und wird ein bußgeldrechtlich relevanter Verstoß festgestellt, führt dies auch häufig zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den „Halter“ des LKW, in der Regel den Geschäftsführer des Unternehmens. Für die Behörde, das Gericht und den Betroffenen stellt sich regelmäßig die Frage, welches Gericht zuständig ist. Das Amtsgericht des Kontrollortes oder das Amtsgericht des Unternehmenssitzes. Abhängig vom Ergebnis fallen nicht nur erhebliche Kosten (Fahrtkosten, Arbeitsausfall usw.) an; es kann auch Vor- oder Nachteile mit sich bringen, je nachdem, ob man am „Hausgericht“ oder einem fremden Gericht verhandelt.

Allgemeine Zuständigkeitsregeln

Der Halter eines Kraftfahrzeugs verstößt gegen §§ 31 II, 69 V Nr. 3 StVZO, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig die Inbetriebnahme eines nicht den Beschaffenheitsvorschriften entsprechenden Fahrzeugs anordnet oder zulässt. Hierbei bezieht sich die Inbetriebnahme nicht nur auf das bloße ,,Inbewegungsetzen’’ des Fahrzeugs bzw. dessen erste Indienststellung. Erfolgsort und somit auch Begehungsort i.S.d. § 7 I OWiG ist vielmehr jeder Ort, an dem das Fahrzeug auf Grund der Anordnung oder Zulassung des Halters unter Verstoß gegen die Beschaffenheitsvorschriften geführt wird, weil durch die gesamte Fahrt, welche eine Teilnahme am Verkehr darstellt, der Bußgeldtatbestand verwirklicht wird[1].

Hieraus ergibt sich gemäß § 7 I OWiG als möglicher Erfolgsort und damit auch Begehungsort sowohl der Unternehmenssitz des Halters, als auch der konkrete Kontrollort, an dem die Ordnungswidrigkeit ordnungsbehördlich festgestellt wurde. Die Bestimmung des Erfolgs- und Begehungsortes hat wiederum Auswirkungen auf die im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid zu bestimmende Zuständigkeit der Behörde und des Gerichts.

Gemäß § 68 I 1 OWiG sind die Entscheidungen über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide bundesgesetzlich dem Amtsgericht zugewiesen, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde, welche den Bußgeldbescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Gemäß § 68 I, III Nr.1 OWIG kann die jeweilige Landesregierung jedoch durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist. Von dieser Möglichkeit haben die Bundesländer Baden-Württemberg[2], Bayern[3], Brandenburg[4], Bremen[5], Hamburg[6],  Hessen[7], Niedersachsen[8], Nordrhein-Westfalen[9], Rheinland-Pfalz[10], Sachsen[11], Sachsen-Anhalt[12] sowie Schleswig-Holstein[13]durch landesgesetzliche Regelung Gebrauch gemacht.

In diesem Zusammenhang erwächst das Problem, ob im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid das im Bereich des Unternehmenssitzes, welcher den ersten von zwei kumulativ gegebenen Begehungsorten darstellt oder das im Bereich des Kontrollortes, als zweitem Begehungsort, ansässige Amtsgericht vorrangig zuständig ist.

Rechtsprechungsstand

Gemäß eines Beschlusses des BGH vom 19.06.1986[14], in dem über den Verstoß eines Unternehmers gegen die Regelungen betreffend der Lenk- und Ruhezeiten zu entscheiden war, sei der für die rechtliche Beurteilung maßgebende Akt die Erteilung des Fahrauftrages an den Fahrer[15]. Diese unternehmerische Disposition werde im Betrieb des Halters getroffen, der Halter verletze dort die ihn in seiner Eigenschaft als Unternehmer treffenden Pflichten. Lediglich der Erfolg der Pflichtverletzung äußere sich während der Fahrt. Dies sei jedoch für die Bestimmung des Begehungsortes unerheblich. Begehungsort sei somit der Unternehmenssitz. Die Zuständigkeit des Amtsgerichtes sei im Bezirk des Begehungsortes des maßgebenden Aktes und somit am Unternehmenssitz anzunehmen.

Ebenso – wenn auch ohne Begründung – entschied der BGH in einem Beschluss vom 10.09.2003[16].

Hierbei war das vorwerfbare Verhalten des Unternehmers in der Überladung eines Transportfahrzeuges und der Verletzung einer diesbezüglichen Aufsichtspflicht gemäß § 130 I S.1 OWiG begründet. Hierzu führte der BGH aus, dass bereits mit der Überladung der Transportfahrzeuge am Unternehmenssitz der tatbestandliche Erfolg eintrete, dies sei unabhängig davon anzunehmen, ob dem Unternehmer die Überladung als solche zur Last gelegt werde oder die Verletzung einer Aufsichtspflicht gegenüber den Betriebsangehörigen.

Eine andere Rechtsauffassung nahm beispielsweise das AG Kassel in seinem Beschluss vom 28.10.2008 an[17]. Im zugrunde liegenden Sachverhalt war sowohl ein Begehungs- und Erfolgsort in Rheinland-Pfalz, dort am Unternehmenssitz, als auch in Hessen, dort am Kontrollort, gegeben. Das AG Kassel entschied sodann, dass dadurch, dass auch ein Begehungs- und Erfolgsort am Kontrollort in Hessen, dort im Bezirk des Amtsgerichts Limburg, gegeben sei, eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Kassel, welche lediglich im Falle eines ausschließlich außerhalb Hessens befindlichen Tatortes gemäß § 68 I S.1 gegeben sei, ausscheide.

Hieraus ergibt sich, dass sobald gemäß § 68 I, III OWiG i.V.m. der jeweiligen landesrechtlichen Verordnung eine von § 68 I OWiG abweichende Zuständigkeit aufgrund eines Begehungs- und damit auch Erfolgsortes am Kontrollort im Bezirk eines Amtsgerichtes gegeben ist, diese gegenüber einer etwaig zusätzlich am Unternehmenssitz begründeten Zuständigkeit vorrangig sein soll.

Argumente

Für die Zuständigkeit des Amtsgerichts im Bezirk des Kontrollortes spricht zunächst die Einheitlichkeit der Beurteilung des Vorgangs durch dasselbe Gericht. Ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für das Bußgeldverfahren gegen den Fahrer und den Halter würde auf diese Weise vermieden.

Die Begründung des AG Kassel, welche sich allein auf die Feststellung des Charakters des Anordnens oder Zulassens der Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Halter unter Verstoß gegen § 31 II StVZO als Dauerdelikt beschränkt, was insoweit der ganz herrschenden Meinung entspricht[18], vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die weitere Argumentation, wonach in diesem Falle das Gericht des Kontrollortes zumindest auch zuständig sei[19] um sodann nur aufgrund der Tatsache, dass damit ein potentiell zuständiges Amtsgericht im Bundesland Hessen gegeben sei[20], die Zuständigkeit dieses Amtsgerichts auszusprechen, erscheint vor dem Hintergrund des Rechts des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 I GG als letztlich willkürlich. Dies vor allem deshalb, weil das erkennende Gericht zu keiner Zeit auf eine etwaige vorrangige Zuständigkeit des Gerichts des Unternehmenssitzes eingeht, welche sich in dem zu entscheidenden Fall in einem anderen Bundesland, namentlich Rheinland-Pfalz, befand.

Im diesem Falle, in dem eine Ordnungswidrigkeit in mehreren Bezirken begangen wurde, die unter Umständen auch in verschiedenen Bundesländern befindlich sind, ist nach dem Rechtsgedanken des § 13 StPO, welcher gemäß § 46 OWiG entsprechend anwendbar ist, zwar grundsätzlich jedes Amtsgericht zur Entscheidung über die zusammenhängende Ordnungswidrigkeit zuständig.[21] Um das Problem dieser Zuständigkeitskonkurrenz zu lösen und für den Betroffenen hinreichende Planungs- und Rechtssicherheit zu gewährleisten, erscheint es indes vorzugswürdig, der von der obersten Rechtsprechung im Falle alternativer Zuständigkeit vertretenen Auffassung, die Zuweisung habe an dasjenige Gericht zu erfolgen, in dessen Bezirk die, in Bezug auf den Halter, im Schwerpunkt vorwerfbare Handlung begangen wurde[22], zu folgen. Denn nur in diesem Falle wird die Tatsache, dass der Halter durch Anordnung oder das Zulassen der Inbetriebnahme auf seinem Betriebsgelände die Ursache für die spätere Dauerordnungswidrigkeit gesetzt hat, hinreichend gewürdigt.

Des Weiteren entspricht dieses Ergebnis auch der der Einführung der Dekonzentrationsmöglichkeit  gemäß § 68 III OWiG zu Grunde liegenden Gesetzesbegründung. Hiernach steht die Dekonzentration durch Zuweisung der Zuständigkeit an das jeweilige Amtsgericht des Begehungs- bzw. Erfolgsortes stets unter der Prämisse der Sachdienlichkeit[23].  Diese rechtfertigt eine Zuweisung an das Amtsgericht des Begehungs- bzw. Erfolgsortes gerade in dem Falle, in dem es den Betroffenen aufgrund großer Entfernungen zu dem ursprünglich nach § 68 I OWiG allein zuständigen Gericht am Sitz der Verwaltungsbehörde nicht zuzumuten ist, nur wegen der weiten Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsort auf die Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu verzichten[24]. Vor diesem Hintergrund dürfen bei einer etwaig in einem anderen Bundesland begründeten Zuständigkeit bei einer gleichzeitigen potentiellen Zuständigkeit des Amtsgerichts des Unternehmenssitzes ebenfalls Sachdienlichkeitserwägungen nicht außer Betracht bleiben. Der Zuständigkeitskonflikt muss somit auch unter dem Aspekt der Zumutbarkeit zu Gunsten des Amtsgerichts des Unternehmenssitzes gelöst werden.

Insbesondere in einem Unternehmen, welches eine Vielzahl von Fahrzeugen betreibt, die in der gesamten Bundesrepublik Aufträge ausführen, ließen sich auf diese Weise erhebliche unnötige Mehrkosten, etwa in Form von Reisekosten aber auch Arbeitsausfall, vermeiden.

Fazit

Sowohl für die Verteidigung, als auch für das Gericht, stellt sich regelmäßig die nicht oft genug aufgeworfene Frage nach der örtlichen Zuständigkeit. Im Falle des Vorwurfs „Anordnen bzw. Zulassen der Inbetriebnahme von Fahrzeugen“  kann diese Frage nunmehr dahingehend beantwortet werden, dass der Gerichtsstand dort anzunehmen ist, wo das Unternehmen seinen Sitz hat und der maßgebliche Akt bzw. das maßgebliche Unterlassen stattfand. Die Verteidigung hat die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit diesbezüglich spätestens bis zum Beginn der Hauptverhandlung zu erheben.

Zusammenfassung

Im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 31 II, 69 V Nr. 3 StVZO ergibt sich regelmäßig das Problem kumulativer Gerichtszuständigkeit.

Zur Lösung des Problems wurde von der bisherigen Rechtsprechung mit unterschiedlicher Begründung sowohl eine vorrangige Zuständigkeit des Amtsgerichts am Unternehmenssitz des Halters als auch eine vorrangige Zuständigkeit des Amtsgerichts am Ort der Feststellung der Ordnungswidrigkeit, mithin am Kontrollort, angenommen.

Zur Vermeidung einer willkürlichen Entscheidung ist der Rechtsprechung des BGH, welche zu Gunsten einer vorrangigen Zuständigkeit am Unternehmenssitz optiert, zu folgen.

Allein dieses Ergebnis entspricht der Gesetzesbegründung zu § 68 III OWiG und garantiert für den Betroffenen hinreichende Planungs- und Rechtssicherheit.

 

 

 

[1] BGHSt 25, 338/343; Bay OLG, VRS 60, 155.

[2] § 28 Nr. 1 der Verordnung des Justizministeriums über gerichtliche Zuständigkeiten vom 20. November 1998.

[3] § 44 Nr. 1 S.1 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu) vom 16. November 2004.

[4] § 4 II der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten und Zuständigkeitskonzentrationen (Gerichtszuständigkeits-Verordnung – GerZustV) vom 03. November 1993.

[5] § 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 17. Dezember 1968.

[6] § 1 der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte in Bußgeldsachen auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 17. Dezember 1968.

[7] § 1 I  Nr. 2 der  Verordnung zur Bestimmung der  örtlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte im Bußgeldverfahren vom 11 September 1996.

[8] § 5 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) vom 22. Januar 1998.

[9] § 7 lit a) der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene, in Jugendstrafsachen, in Bußgeldverfahren und Abschiebungshaftsachen vom 04. März 2008.

[10] § 4 der Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Strafsachen und Bußgeldverfahren vom 19. November 1985.

[11] § 3 II der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über gerichtliche Zuständigkeiten und Zuständigkeiten in Justizverwaltungssachen (Justizzuständigkeitsverordnung – JuZustVO) vom 06. Mai 1999.

[12] § 1 Nr. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit bei Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 10. Mai 2002.

[13] § 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Straßenverkehrsgesetz vom 18. Oktober 1994.

[14] BGH, NJW 1987, 1152.

[15] so auch KG Berlin, VRS 67, 473.

[16] BGH, wistra 2003, 465; BGH, NStZ 2004, 699-700.

[17] AG Kassel, SVR 2008, 474.

[18] Göhler/Gürtler OWiG, 15. Auflage 2009, § 7 Rdnr. 4; Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, StVZO, § 31 Rdnr. 18.

[19] AG Kassel, SVR 2008, 475.

[20] AG Kassel, SVR 2008, 475.

[21] Göhler/Seitz OWiG, 15. Auflage 2009, § 68 Rdnr. 19.

[22] BGH, NJW 1987, 1152.

[23] Göhler/Seitz OWiG, 15. Auflage 2009, § 68 Rdnr. 18.

[24] Göhler/Seitz OWiG, 15. Auflage 2009, § 68 Rdnr. 18.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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