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Christian Saevecke
Rechtsanwalt
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Wer nachts deutsche Autobahnen befährt, der kennt mittlerweile die neuen Risikobereiche: Raststätten, an denen sich LKW`s mit eingeschalteten Warnblinkanlagen bis auf die Fahrspur stauen. Parken auf der Autobahn, bislang undenkbar, in Teilbereichen jedoch nächtliche Routine. Teilauslöser sind die Fahrzeuge, welche nie den heimischen Speditionshof sehen, sondern sich im ununterbrochenen Dauereinsatz befinden. Problem: die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit (rwR).
Bislang war umstritten, ob es zulässig ist, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit (rwR) entsprechend Art.8 Abs.8 der VO (EG) 561/2006 in bzw. vor der Fahrerkabine zu verbringen. Nach belgischem und französischem Recht ist dies verboten. Ab dem 25.05.2017 gibt es auch in Deutschland den neu gefassten § 8a FahrPersG. In § 8a Absatz 1 Nummer 2 FahrPersG heißt es nunmehr: „Im Fall von Satz 1 Nummer 2 sorgt der Unternehmer auch dann nicht dafür, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach Artikel 8/a> Absatz 6 eingehalten wird, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird“.
Was das bedeutet, erscheint zunächst klar. Eine enorme Änderung bei den bisherigen Speditions- und Dispositionsstrukturen. Die LKW`s können die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit (rwR) auf dem Rastplatz oder an der Raststätte rechtlich nicht mehr wirksam erfüllen. Fahrer und Speditionen müssen sich auf diese neue Situation und die neu entstandene Beeinträchtigung einstellen. Insbesondere, da mit entsprechenden Kontrollen der Fahrer sowie der Weisungs- und Delegationsstruktur innerhalb der Speditionen zu rechnen ist.
DDennoch sind schon jetzt auftretende Probleme zu erkennen. Beispiele:
Zu den tatsächlichen Problemen treten rechtliche Bedenken. Die Formulierung „geeignete“ Schlafmöglichkeit wird sicherlich als nicht ausreichend Bestimmt im Sinne des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ und des Bestimmtheitsgrundsatzes anzusehen sein. Hierzu die Grundlagen:
Der Grundsatz nulla poena sine lege hat in Art. 103 II GG und gleichlautend in § 1 StGB sowie in ähnlicher Formulierung in Art. 7 I 1 EMRK Niederschlag gefunden. In Art. 103 II GG und § 1 StGB wird das Gebot wie folgt ausgedrückt: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ Konkreter findet sich dieser Grundsatz in Art. 7 I 1 EMRK: „Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“ Dieser Grundsatz besagt, dass „nicht nur der Umstand, dass ein bestimmtes Verhalten überhaupt strafbar ist, sondern auch die Art der Strafe und ihre mögliche Höhe vor der Tat […] gesetzlich festgelegt sein [müssen]“[1].. Aus Art. 103 II GG und 1 StGB lassen sich vier Einzelprinzipien ableiten: Das Verbot von Gewohnheitsrecht (nulla poena sine lege scripta), das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa), das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia) und das Analogieverbot (nulla poena sine lege praevia). Interessant für § 8 a Absatz 1 Nummer 2 FahrPersG ist das Bestimmtheitsgebot.
„Jedermann soll vorhersehen können, welches Handeln mit welcher Strafe bedroht ist, um sein Verhalten entsprechend einrichten zu können.“[2] Dieses Prinzip soll einerseits sicherstellen, dass allein der Gesetzgeber und nicht die Gerichte über die Strafbarkeit entscheiden, andererseits soll dem Einzelnen die Möglichkeit gegeben werden, zu erkennen, welches Verhalten verboten ist.[3] Das Bestimmtheitsgebot verlangt eine möglichst präzise Umschreibung des verbotenen Handelns. Der Gesetzgeber ist dazu angehalten, die Voraussetzungen einer Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass sich Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände bereits direkt aus dem Gesetz ergeben und sich durch Auslegung ermitteln lassen.[4] Das Bestimmtheitsgebot gilt vollumfänglich auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts.
Was ist denn nun als Schlafmöglichkeit für eine ausreichende rwR „geeignet“? Das Gesetzt geht zumindest vom Wortlaut davon aus, dass alles „im Fahrzeug“ ungeeignet sei. Bedeutet das jedoch „im Fahrzeug des Berufskraftfahrers“ oder meint das jede Übernachtungsmöglichkeit „in Fahrzeugen“? Muss es unbedingt das private eigene Bett zu Hause sein, oder reicht ein Hotel. Wie sieht es aus mit der Übernachtung im Zelt? Die Begründung des Bundesrates: den Transportunternehmer dazu zu verpflichten, „dafür Sorge zu tragen, dass das Fahrpersonal seine regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten so verbringt, dass sie den Gesundheitsschutz des Fahrers und die Verkehrssicherheit“ verbessern, ließe, teleologisch ausgelegt, alle Übernachtungsmöglichkeiten zu, die nicht zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit und der Verkehrssicherheit führen. Das ist sicherlich aber auch „in Fahrzeugen“ realisierbar. Die möglichen Fragestellungen im Zusammenhang mit § 8 a Absatz 1 Nummer 2 FahrPersG belegen nur die Unbestimmtheit. Die dann wohl folgende Gesetzesauslegung bzw. inhaltliche Füllung mittels richterlicher Fallgruppenbildung erscheint weder hinnehmbar noch rechtlich im Bereich des Straf- und Bußgeldrechtes rechtskonform.
Die Intention des Gesetzgebers ist anzuerkennen, führt jedoch aufgrund der gewählten Gestaltung in die Rechtsunsicherheit – wahrscheinlich auch zur Verfassungswidrigkeit. Die Verteidigung ist aufgerufen auf die verfassungsrechtlichen Bedenken der Norm hinzuweisen./p>
[1] Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, 4. Auflage, § 5 Rn. 4.
[2] BGHSt 23, 167 (171).
[3] BVerfGE 73, 206 (234 f.).
[4] BVerfG NJW 2003, 1030.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.