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Der Auftraggeber schreibt die Ausführung von „Erd- und Straßenbauarbeiten“ im offenen Verfahren europaweit aus. Nach den Vergabeunterlagen sind Nebenangebote zugelassen, laut Vergabekanntmachung dagegen ausgeschlossen. Es geben mehrere Bieter, darunter die drei Bestplatzierten, Nebenangebote ab, die den Einbau von Recyclingmaterial als hydraulisch gebundene Tragschicht in den Straßenkörper vorsehen und zu Kosteneinsparungen zwischen 2.500,00 €, 95.000,00 € und 115.000,00 € führen. Zuschlagskriterium ist zu 90 % der Preis. Die Angebotssumme des Zweitplatzierten weicht um ca. 40.000,00 € von der Endsumme des Erstplatzierten ab. Der Auftraggeber hebt die Ausschreibung auf und begründet dieses u. a. mit der Notwendigkeit der grundlegenden Änderung der Vergabeunterlagen, welche als Amtsvorschlag nunmehr die Verwendung von Recyclingmaterial als hydraulisch gebundene Tragschicht in den Straßenkörper vorsehen sollen. Hiergegen richtet sich das Nachprüfungsverfahren des zweitplazierten Bieters.
Die Vergabekammer hält den Antrag auf Aufhebung der Aufhebungsentscheidung und Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor der Aufhebung für unbegründet. Zwar kann der Auftraggeber seine Aufhebungsentscheidung nicht auf einen rechtmäßigen Aufhebungsgrund nach § 17 VOB/A stützen. Die rechtswidrige Aufhebung hat aber gleichwohl vergaberechtlich Bestand. Denn sie erfolgt nicht willkürlich, sondern aufgrund eines sachlichen vernünftigen Grundes. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers ermöglicht es ihm, den „besten“ Beschaffungsgegenstand zu besorgen. Der Auftraggeber möchte seinen Beschaffungsbedarf neu definieren. Die vertragsrechtlich bestehende Möglichkeit, den Beschaffungsgegenstand durch Anordnung nach § 1 Nr. 3 VOB/B zu ändern, würde vergaberechtlich gegen das Prinzip des fairen Wettbewerbs, sowie gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Im Vergabeverfahren wurden in Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen Nebenangebote gelegt, welche allerdings nach der Vergabebekanntmachung unzulässig waren. Bei einem derartigen Widerspruch gelangen die Bestimmungen der Vergabebekanntmachung zur Anwendung, da diese auch regelmäßig die Entscheidungsgrundlage für einen Bewerber hinsichtlich der Teilnahme am Wettbewerb sind. Würde der Auftraggeber nunmehr in Kenntnis aller Umstände einen Vertag schließen, um sodann von seinem Anordnungsrecht und der daraus folgenden Vergütungsanpassung Gebrauch zu machen, liefe das letztlich in vergaberechtswidriger Weise darauf hinaus, dass auf ein nicht zugelassenes Nebenangebot der Zuschlag erteilt würde. Vor Vertragsschluss feststehende Änderungen des Beschaffungsgegenstandes sind nur dann vergaberechtlich unschädlich, wenn keine empfindliche Störung des Wettbewerbsergebnisses möglich ist. Eine empfindliche Störung ist stets bei einer möglichen geänderten Bieterreihenfolge und der Aussicht, dass ein anderes Unternehmen den Zuschlag erhalten müsste, gegeben.
Die Entscheidung schränkt den Änderungsspielraum des Auftraggebers während einer laufenden Ausschreibung sachgerecht ein. Nicht nur die Identität des Beschaffungsgegenstandes muss gewahrt bleiben. Auch Auswirkungen auf die mögliche Beteiligung anderer Unternehmen und mögliche Auswirkungen auf die Bieterreihenfolge sind zu berücksichtigen.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.