Rechtsanwalt Lars Christian Nerbel, Rechtsberater in Bonn
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Donnerstag, 16.11.2017

Verjährung von Mängelansprüchen des Bauherrn an Dach-Photovoltaikanlagen



von
Lars Christian Nerbel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Der BGH urteilt:

1. Die (lange) Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB von fünf Jahren für Arbeiten bei Bauwerken findet für die nachträgliche Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Tennishalle Anwendung, wenn die Photovoltaikanlage zur dauernden Nutzung fest eingebaut wird, der Einbau eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle darstellt, die einer Neuerrichtung gleich zu achten ist, und die Photovoltaikanlage der Tennishalle dient, indem sie eine Funktion für diese erfüllt.

2. Eine auf dem Dach einer Tennishalle nachträglich errichtete Photovoltaikanlage erfüllt eine Funktion für die Tennishalle, wenn die Tennishalle aufgrund einer Funktionserweiterung zusätzlich Trägerobjekt einer Photovoltaikanlage sein soll. Unerheblich ist, dass die Photovoltaikanlage der Stromversorgung der Tennishalle nicht dient

Der Fall:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Tennishalle. Sie beauftragte 2004 die Beklagte mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Tennishalle. Die Beklagte führte die Arbeiten aus, stellte den vereinbarten Betrag von 286.461,12 Euro unter dem 29. Mai 2004 in Rechnung und erhielt diesen von der Klägerin bezahlt.

Die Photovoltaikanlage besteht unter anderem aus 335 gerahmten Einzelmodulen. Um die Module auf dem Dach anzubringen, errichtete die Beklagte eine Unterkonstruktion, die mit dem Dach fest verbunden wurde. Unterkonstruktion und Module waren so anzubringen, dass die Statik des Dachs durch das Eigengewicht der Anlage nicht beeinträchtigt wird und die Anlage sturmsicher ist. Zudem mussten die Montageelemente dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Die Beklagte verkabelte die Module mit insgesamt ca. 500 m Kabeln, unter anderem um die Module mit im Innern der Halle angebrachten Wechselrichtern zu verbinden. Hierfür legte die Beklagte Kabelkanäle in das Innere der Halle. Die dafür notwendige Durchdringung des Dachs bzw. der Gebäudeaußenhaut musste dauerhaft witterungsbeständig und dicht sein. Von den Wechselrichtern legte die Beklagte Stromleitungen zu einem außerhalb der Halle befindlichen Zählerverteilungskasten. Hierfür waren Grabungsarbeiten in erheblichem Umfang notwendig. Ebenfalls im Innern der Halle errichtete die Beklagte eine Kontroll- und Steuerungsanlage, die sie mit den Wechselrichtern und den Modulen verkabelte und programmierte.

Mit Schreiben von April 2005 rügte die Klägerin die zu geringe Leistung der Anlage. Dazu erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, man müsse die Anlage noch zwei Jahre beobachten und danach die Ursache einer eventuellen Minderleistung feststellen. Damit war die Klägerin einverstanden und wandte sich mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 erneut an die Beklagte. Im Mai 2010 beantragte die Klägerin wegen einer Minderleistung der Anlage die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Der Sachverständige erstellte im April 2011 sein Ergänzungsgutachten, zu dem die Parteien keine Fragen mehr einreichten.

Im Juli 2011 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie auf der Grundlage einer Minderung von 25 % der Nettovergütung die Rückzahlung von 71.615,28 Euro begehrt. Die Beklagte rügt Verjährung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die gerichtliche Entscheidung:

Anders als noch im KJ 2013 entscheidet der BGH im vorliegenden Fall, dass die Verjährungsfrist fünf Jahre und nicht nur zwei Jahre ab Abnahme beträgt. Der BGH sieht in den o.g. beschriebenen Arbeiten einen Werkvertrag, nicht aber einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung.

Die fünfjährige Verjährung "bei Bauwerken" gilt, wenn das Werk in der Errichtung oder der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes besteht und daneben auch die typische Risikolage aus der späten Erkennbarkeit von Bauwerksmängeln aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten sowie der Witterung und Nutzung vorliegt.

Gem. BGH ist die Halle im vorliegenden Fall nach Abschluss der Montage jedenfalls auch dazu bestimmt, Trägerobjekt für die PV-Anlage zu sein. Die von der Beklagten gelieferte Photovoltaikanlage wurde nicht nur aufgestellt, sondern auf und in der Tennishalle zur dauernden Nutzung fest eingebaut. Parallel hat die Beklagte im vorliegenden Falle aufwendige, handwerkliche Installations- und Anpassungsarbeiten an der Tennishalle durchgeführt.

Durch die Vielzahl der Eingriffe in die Gebäudesubstanz, die schwere Erkennbarkeit von Mängeln durch aufeinander abgestimmte Arbeiten und die der Witterung ausgesetzte Nutzung liegt gem. dem BGH die typische Risikolage vor, die den Gesetzgeber veranlasst hat, für Arbeiten bei einem Bauwerk eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorzusehen.

Praxistipp:

Der BGH hatte im KJ 2013 für eine auf einer Scheune angebrachte Photovoltaikanlage eine Verjährungsfrist von nur zwei Jahren angenommen. Vorliegend nimmt der BGH nun fünf Jahre an.

Lt. BGH soll sich die Differenzierung danach ergeben, ob eine feste Verbindung zwischen der PV-Anlage und dem Gebäude besteht verbunden mit Eingriffen in die Gebäudesubstanz oder nicht. Wann eine solche feste Verbindung vorliegt, müsse im Einzelfall entschieden werden.

Der BGH gibt damit Bauherrn und ausführenden Unternehmen Steine statt Brot. In Zukunft kann sich keine Partei mehr wirklich sicher sein, ob der Gewährleistungsanspruch des Auftraggebers zwei oder fünf Jahre ab Abnahme beträgt.

Dem Bauherrn von Dach-PV-Anlagen muss aus Sicherheitsgründen dazu geraten werden, stets von einer zweijährigen Gewährleistungsfrist auszugehen und mögliche Mängel so schnell, wie möglich nach Kenntnis beim Ausführer zu rügen.

Sollten sich Mängel erst nach Ablauf von zwei Jahren zeigen, wird wohl nur der Weg zum qualifizierten Anwalt helfen, um auch nur ansatzweise eine Chance zu haben, den richtigen Weg zur Lösung der Problematik zu beschreiten.

 

 

Bezug:

BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13

vorhergehend:

OLG München, Urteil vom 10.12.2013 - 9 U 543/12 Bau

LG Passau, 03.01.2012 - 3 O 527/11

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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