Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Rechtsberater in Koblenz
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Donnerstag, 21.10.2021

Mobilität und Verkehr in der Schweiz - Mit anderen Konzepten zu mehr Sicherheit auf den Straßen?

Erstveröffentlicht in Deutsches Autorecht, DAR 2021, 592 ff.



von
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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A. Einführung

Ein Ausflug über die Grenze zu den Eidgenossen lohnt sich immer, vor allem als Urlaubsziel. Aber auch abgesehen davon hat das neutrale Alpenland enorm viel zu bieten. Im Juni 2021 bereiste ich die Kantone Wallis und Luzern konnte mir einen unmittelbaren Überblick über diverse Besonderheiten im Straßenverkehr in der Schweiz verschaffen. Diese werden nachfolgend dargestellt und auf ihre Unterschiede zu Deutschland und ihren möglichen Nutzen überprüft.

B. Vignette

Die schweizerischen Autobahnen und Nationalstraßen („Autostrassen“) sind gebührenpflichtig. Die Schweiz führte als erstes Land in Europa eine Pkw-Maut ein. Später wurde sie für Pkw z.B. auch in Österreich in ähnlicher Form übernommen. Die Vignettenpflicht gibt es bereits seit 1985. Die Gebühr hierfür beträgt 40 Schweizer Franken (CHF) und gilt immer nur für das laufende Jahr und für den Monat davor und danach. Zum Beispiel die Vignette 2021 gilt vom 01. Dezember 2020 bis 31. Januar 2022.[1] Für kürzere Zeiträume kann man die Vignette nicht – wie z.B. in Österreich – erwerben. Die Strafe für das Fehlen der Vignette liegt bei 200 CHF. Bei Fahrzeugen ohne Frontscheibe – beispielsweise bei Anhängern oder Motorrädern – muss die Vignette an einer Stelle kleben, die nicht auswechselbar und leicht zugänglich ist. Die Vignette kann bequem an der letzten deutschen Tankstelle vor der Grenze erworben werden. 40 CHF sind zurzeit umgerechnet etwa 38,50 Euro, der Preis an deutschen Tankstellen im Grenzgebiet lag bei 41 EUR. Neben der normalen Vignette können noch zusätzliche Gebühren für bestimmte Straßentunnel anfallen. So kostet etwa die Hin- und Rückfahrt durch den St. Bernhard-Tunnel für Pkw mit und ohne Anhänger knapp 45 Euro.[2] 2022 wird die E-Vignette in der Schweiz eingeführt,[3] dann entfällt das Aufkleben und Abkratzen der Vignette an der Windschutzscheibe.

C. Beschilderung 

Schweizer Autobahnschilder sind anders als in Deutschland in grün gehalten, was diverse EU-Staaten ebenso handhaben, wie z.B. Italien. Auch Schilder auf Schnellstraßen, sogenannten „Autostrassen“, sind grün. Die Hinweisschilder für Ausfahrten auf der Autobahn sind dagegen blau. Der Grund für die grüne Beschilderung auf den Autobahnen liegt darin, dass die Schweiz relativ spät mit dem Autobahnbau begonnen hat. Als in den 1960er- und 1970er-Jahren die ersten Autobahnen gebaut wurden, war für die Hauptstraßen bereits die blaue Farbe vergeben worden. So habe man eine neue Farbe nehmen müssen und sich für grün entschieden.[4] Sonstige Straßenschilder sind in der Schweiz blau, wie in Deutschland auf den Bundesautobahnen (BAB), was zuweilen am Anfang etwas irritiert. Auch die Beschilderung innerorts ist in blau gehalten wie auch die Ortstafeln (in Deutschland gelb). 

D. Autokennzeichen

I. Landeskennzeichen

Das Landeskennzeichen „CH“ stammt aus dem lateinischen und steht für „Confoederatio Helvetica“.[5] 

II. Regionale Kennzeichen 

Das schweizerische regionale Autokennzeichen „Kontrollschilder“ zeigt weiße Zeichen auf schwarzem Grund. Am Anfang stehen zwei Buchstaben, der Code für die 26 Kantone. Dahinter folgen ein- bis sechsstellige Ziffern, dabei haben nur sechsstellige Nummern ein Tausendertrennzeichen in Form eines schmalen Leerzeichens. Beim hinteren Kennzeichen ist am Anfang das Schweizer Wappen und nach der Ziffernfolge das Kantonswappen zu sehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten Europas werden die Schweizer Kontrollschilder nicht einem bestimmten Fahrzeug, sondern dessen Halter zugeteilt.[6] Dieser kann die Kontrollschilder auf Antrag auch als Wechselschilder für maximal zwei Fahrzeuge nutzen. Das vordere Kontrollschild ist etwas kleiner, was nicht recht einzuleuchten vermag, Importautos benötigen deshalb neue Halterungen aus der Schweiz. Alle Schweizer Nummernschilder können bei der Prägung wahlweise in Langformat oder Hochformat angefordert werden (betrifft nur hinteres Nummernschild). Es gibt keine zusätzliche Kennzeichnung von E-Autos durch den Buchstaben „E“ am Ende des Kennzeichens, wie in Deutschland. Dem schweizerischen Kennzeichen ist kein Datum über den Ablauf der Hauptuntersuchung zu entnehmen. Gleichwohl gibt es sie auch bei den Eidgenossen, sie wird dort „Motorfahrzeugkontrolle“ genannt: Es gelten für Personenwagen und Motorräder folgende Prüfungsintervalle: Eine erste Prüfung wird fünf Jahre nach der ersten Inverkehrsetzung fällig, danach alle drei Jahre und anschließend muss das Fahrzeug alle zwei Jahre geprüft werden.[7]

III. Kleinkrafträder und E-Roller

Auch in der Schweiz gibt es ein Versicherungskennzeichen für Kleinkrafträder oder Mopeds, es trägt die Farbe gelb mit schwarzer Aufschrift. Das Kontrollschild ist gültig, wenn auf diesem eine Kontrollmarke (Vignette) mit der entsprechenden Jahreszahl aufgeklebt ist. Das Kennzeichen muss nicht wie in Deutschland jährlich gewechselt werden, was eine Erleichterung darstellt. Ebenso wie Pkw-Kennzeichen beginnt es mit zwei Buchstaben des Kantons, danach folgen bis zu 6-stellige Ziffern. Von der Größe erinnert es an Versicherungskennzeichen in Deutschland. Die Kontrollmarke ist gültig ab dem 1. Januar des Jahres, dessen Zahl sie trägt und bleibt gültig bis zum 31. Mai des folgenden Jahres[8] (nicht wie in Deutschland nur bis Ende Februar des Folgejahres).

IV. E-Roller

E-Roller sind bei unseren Nachbarn in der Schweiz ebenso erlaubt. Für Leicht-Motorfahrräder, also Elektro-Scooter und e-Bikes mit 20 bzw. 25 km/h Höchstgeschwindigkeit gibt es keine Versicherungspflicht wie in Deutschland nach der deutschen Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung.[9] Ebenso wie in Deutschland gibt es keine Helmpflicht.

V. Fahrräder

Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der Schweiz war die Vignettenpflicht für Fahrräder.[10] Bei Verstößen drohte eine Geldbuße von 40 CHF. Sie wurde jedoch 2012 abgeschafft, was jedoch vor dem Hintergrund des zunehmend dichteren Radverkehrs verwundert. Die Vignette für das Fahrrad musste jedes Jahr neue gelöst werden. Die Abschaffung wurde damit begründet, dass die Versicherungspflicht einen hohen Verwaltungsaufwand mit sich brachte und ohnehin kaum kontrolliert wurde.

E. Tempolimit und Sanktionen

I. Zulässige Höchstgeschwindigkeiten in der Schweiz

Die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten sind in der Schweiz niedriger als in Deutschland: Auf der schweizerischen Autobahn gelten allgemein 120 km/h, auf Schnellstraßen, 100 km/h, auf Haupt- und Nebenstrassen außerhalb von Ortschaften 80 km/h und innerhalb von Ortschaften 50 km/h. Es können jedoch auch geringere erlaubte Geschwindigkeiten signalisiert werden. So kann beispielsweise auf Autobahnen zeitlich beschränkt oder auf gewissen Abschnitten auch Tempo 80 oder 60 signalisiert sein (z.B. in Tunnels oder in Baustellenbereichen). Ortstafeln im Straßenverkehr haben im Gegensatz zu Deutschland und Österreich keinen geschwindigkeitsbeschränkenden Charakter, der Beginn der Ortsgeschwindigkeit wird in der Schweiz mit dem Schild «Generell 50», meist direkt unter der Ortstafel signalisiert. Oftmals findet man in der Schweiz Tempo-30-Zonen. 

II. Geldbußen und Strafen

Die Blitzerdichte ist in der Schweiz vergleichsweise hoch, wobei mir während des gesamten Aufenthalts ausschließlich stationieren Geschwindigkeitsmessgeräte aufgefallen sind. Die Geldbußen und Geldstrafen sind in der Schweiz bekanntermaßen hoch.[11] Schon bei Geschwindigkeitsüberschreitungen um 1-5 km/h fallen innerorts und außerorts 40.- CHF an. In Deutschland würde bei derart niedrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen noch keine Messung ausgelöst werden. Wer um 6-10 km/h zu schnell fährt, muss 120.- CHF innerorts und 100 CHF außerorts bezahlen. Auf Autobahnen beträgt die Buße dafür nur 60 CHF. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 16-20 km/h fällt innerorts eine Anzeige an, hier wird eine Geldbuße fällig. Auf Autobahn droht dies bei über 25 km/h. Bei Überschreitungen um 31-34 km/h auf der Autobahn wird mindestens ein Monat Entzug der Fahrerlaubnis ausgesprochen. Ein Fahrverbot wie in Deutschland gibt es nicht, es entspricht aber der Wirkung eines zeitlich begrenzten Entzugs des Führerausweises. Bei Überschreitungen um 35 km/h sieht das Gesetz mindestens 3 Monate Entzug des Führerausweises vor. Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 25 km/h innerorts, 30 km/h außerorts und 35 km/h auf der Autobahn stellen so genannte „grobe Verletzungen von Verkehrsregeln“ dar und werden nicht mehr nur mit Bußen, sondern zumindest mit Geldstrafen geahndet und im Strafregister eingetragen und sind im Strafregisterauszug für eine gewisse Zeitspanne ersichtlich. Im Unterschied zur Geld-„Buße“, die fix ist, ist die Geldstrafe – wie auch in Deutschland – der Höhe nach variabel. Sie multipliziert sich aus der Anzahl Tagen und der jeweiligen Höhe des Tagessatzes. Das Gericht legt nach dem Grad des Verschuldens und den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters die Geldstrafe fest.[12] In der Schweiz gibt es keine Halterhaftung, was eine Fahrerermittlung erforderlich macht.[13]

Von der gemessenen Geschwindigkeit wird bei einer Kontrolle eine „Sicherheitsmarge“ (Toleranz) abgezogen. Die genauen Zahlen befinden sich in Art. 8 der Verordnung des ASTRA zur Straßenverkehrskontrollverordnung.[14] Im Falle einer Anzeige ergeht seitens der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl, der eine Buße oder Geldstrafe vorsieht. Bei einem Betroffenen, der in der Schweiz im Karton Thurgau innerorts mit mehr als 16 km/h unterwegs war, wurde eine „Busse“ von 400 CHF verhängt. Hiergegen kann „Einsprache“ eingelegt werden. Er wurde durch gesondertes Schreiben vom Straßenverkehrsamt darauf hingewiesen, dass er nach Art. 16a Straßenverkehrsgesetz („SVG“) nunmehr verwarnt werde. Es liege eine „leichte Widerhandlung“ vor. Hierbei wird die „fehlbare Person …verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde“. Komme es aber in den nächsten zwei Jahren ab Erlass einer entsprechenden Verfügung zu einer ähnlichen Zuwiderhandlung, werde das Straßenverkehrsamt einen Entzug oder Aberkennung der Fahrerlaubnis vornehmen. Die Kosten der Verfügung beliefen sich auf weitere 200 CHF.[15] Um einen Eindruck über die enorme Härte der Gesetze in der Schweiz zu bekommen, darf an Medienberichte erinnert werden, nach denen ein Deutscher nach Schweizer Strafrecht bei zweifacher Geschwindigkeitsüberschreitung zu 30 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Hiervon wurden 18 Monate zur Bewährung ausgesetzt. Der Rest der Strafe sei nach dem schweizerischen Urteil zu verbüßen.[16] Er war mit bis zu 200 km/h, und damit 80 km/h zu schnell für die Schweizer Autobahnen, auch im Gotthard-Tunnel fiel er auf – 135 km/h statt der erlaubten 80 km/h.

F. Aktuelle Gesetzesänderungen 

Seit 1. Januar 2021 sind zahlreiche interessante Gesetzesänderungen in Kraft getreten.[17]  Erst ab Beginn des Jahres ist das Reißverschluss-Prinzip in der Schweiz Pflicht. Hierauf weisen Verkehrsschilder mit der Aufschrift „Reissverschluss mit Toleranz“ vor einer Verengung der Spur, z.B. vor Baustellen hin. Im dichten bis stockenden Verkehr muss die endende Spur bis ganz vorne genutzt werden, statt sich hinten auf der weiterführenden Spur anzustellen oder früher einzufädeln. Der Verkehr soll hierdurch besser fließen. Ferner ist es in der Schweiz erst am Jahresbeginn Pflicht, auf der Autobahn eine Rettungsgasse zu bilden. Der hat der schweizerische Bundesrat in der Nationalstraßenverordnung das Verbot aufgehoben, an Autobahnraststätten Alkohol auszuschenken und zu verkaufen. Radfahrer und Töffli (motorisiertes Fahrrad) dürfen nun an Ampeln bei Rot rechts abbiegen, sofern dies mit einer Tafel mit einem gelben Fahrrad und einem Pfeil signalisiert ist. Dabei muss auf Fußgängerinnen und Fußgänger sowie den Querverkehr geachtet werden, denn diese haben Vortritt. Wenn bei einer Ampel nichts signalisiert ist, gilt Rot auch für Radfahrer und Mofas. 

G. Führerschein 

Die Hürden für den erfolgreichen Erwerb des schweizerischen Führerscheins sind wesentlich höher als in Deutschland. Neben der theoretischen und praktischen Prüfung sowie einem „Nothilfekurs“ kommt in der Schweiz ein obligatorischer Sensibilisierungskurs hinzu.[18] Dieser dauert acht Stunden und hat zum Ziel, den künftigen Fahrerinnen und Fahrern verantwortungsvolles Sicherheitsverhalten und Umweltverantwortung zu vermitteln. Auch in der Schweiz gibt es eine Probezeit. Sie beträgt dort drei, nicht zwei, Jahre. Jegliches schwerwiegendes Fehlverhalten kann für Fahranfänger in dieser Zeit zum Entzug des Führerscheins führen. Ein unbefristeter Führerschein wird nach Ablauf dieser Probezeit erst nach einem zusätzlichen zweitägigen theoretischen Weiterbildungskurs ausgestellt.[19] Das Mindestalter von 17 Jahren für den Erwerb des Lernfahrausweises für Kraftfahrzeuge trat am 01. Januar 2021 in Kraft.

Dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sehr hoch sind, ist bekannt. Teuer ist auch der Erwerb des „Führerausweises“. In der Regel muss mit Kosten von 3.800 Franken gerechnet werden, was ihn damit wohl zum teuersten Fahrausweis der Welt macht. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass auch die Gehälter entsprechend höher sind als in Deutschland. Durchschnittlich verdient man als Verkäufer in der Schweiz 5.283 CHF pro Monat.[20]

H. Alkohol und Drogen

In der Schweiz sind die Vorschriften über den Alkoholkonsum strenger als in Deutschland. Das Gesetz kennt drei Unterteilungen bei Fahren in alkoholisiertem Zustand: Wer mit 0,25 bis 0,39 mg/l bzw. 0,50 bis 0,79 Promille ein Fahrzeug führt, erhält eine Verwarnung und eine Busse.[21]  Bei 0,25 bis 0,39 mg/l bzw. 0,50 bis 0,79 Promille und gleichzeitigem Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen. Zusätzlich wird eine Geld-„Busse“ oder eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ausgesprochen. Die Höhe der Buße / Geldstrafe richtet sich nach den finanziellen Verhältnissen der verurteilten Person, s.o. Wer in angetrunkenem Zustand mit 0,40 mg/l bzw. 0,80 Promille oder mehr ein „Motorfahrzeug oder ein Sport- oder Freizeitschiff lenkt“, wird der Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen. Zusätzlich wird eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ausgesprochen. Des Weiteren wird der Verstoß im Strafregister eingetragen und ist im Strafregisterauszug für eine gewisse Zeitspanne ersichtlich.

Beim Drogenkonsum im Straßenverkehr gilt bei den Eidgenossen die Nulltoleranz.[22] Ein positiver Befund wird als Fahrunfähigkeit gewertet und ist „eine schwere Widerhandlung“ gegen das Straßenverkehrsgesetz. Er hat den sofortigen Entzug des Fahrausweises für mindestens 3 Monate zur Folge. Zudem ist mit einer hohen Buße und unter Umständen sogar mit einem bedingten oder unbedingten Freiheitsentzug zu rechnen. Ausnahmen davon sind anerkannt bei ärztlichen Anordnungen von Betäubungsmitteln.

I. Rotlichtverstoß

Das Bußgeld („Ordnungsbuße“) für das Nichtbeachten eines Rotlichts (Art. 27 Abs. 1 SVG) beläuft sich auf 250 CHF, aber nur sofern dabei keine Gefährdung vorlag.[23] Bei hinzukommenden erschwerenden Umständen kann die Buße verdoppelt werden. Übrigens gibt es keine Unterscheidung nach vergangenen Sekunden nach der Umschaltung auf Rot, wie in Deutschland. Wenn die Ampel jedoch bereits mehrere Sekunden auf Rot stand, so ist es wahrscheinlich, dass die Behörden entscheiden ein Strafverfahren einzuleiten. Die Buße wird wiederum per Strafbefehl erhoben. 

J. Handynutzung am Steuer

Wer während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, ist mit einer Buße von CHF 100 zu bestrafen. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung (VRV) und Anhang 1 Ziffer 311 der Ordnungsbussenverordnung (OBV). Der Fahrzeugführer hat „dafür zu sorgen, dass seine Aufmerk­samkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Infor­mationssysteme nicht beeinträchtigt wird“. Auch das Telefonieren am Steuer mit Freisprecheinrichtung während der Fahrt kann zu einer Verurteilung wegen Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Strassenverkehrsgesetz (SVG)) führen, wenn der Lenker deswegen seinen Vorsichtspflichten nicht mehr genügt und er das Fahrzeug nicht mehr beherrscht.[24] Das Schreiben einer SMS am Steuer ist eine grobe Verkehrsregelverletzung, welche gem. Art. 90 Ziffer 2 SVG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann

K. Autofreie Zonen

Der wohl bekannteste autofreie Ort der Schweiz ist Zermatt am Fuße des Matterhorns. Die Zufahrt für den Privatverkehr ist nur bis zum Ort Täsch (5 km vor Zermatt) erlaubt. Die Straße von Täsch nach Zermatt ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt, von dort aus kommt man nur mit kostenpflichtigen Shuttle-Zügen mit dem Zug nach Zermatt. In Zermatt sind nur E-Busse und Elektrotaxis zulässig. Bereits 1947 fuhr das erste Elektrofahrzeug durch Zermatt.[25]

L. Autozüge

Eine besondere Attraktion sollte man sich in der Schweiz nicht entgehen lassen: So transportieren Züge Pkw, Busse und Motorräder über unwegsame Pässe. An der Verladestation am Kandersteg im Kanton Bern gelangt man innerhalb von 15 Minuten nach Goppenstein in den Kanton Wallis. Der Preis beträgt 30 € und ist nicht in der Autobahnvignette inbegriffen.

Auf dem Autozug stehen die Pkw Stoßstange an Stoßstange mit angezogener Handbremse und eingelegtem ersten Gang. Beim Auffahren auf die Waggons weist Personal die Fahrzeuge ein.

Einen weiteren Autozug konnte ich am Furkapass erleben. Die Autoverladestelle ermöglicht die einzige direkte Verbindung zwischen Realp und Oberwald dar, wenn der Pass im Winter gesperrt ist. Er verbindet das Urserental im Kanton Uri mit dem Bezirk Goms im Kanton Wallis. Der „Autoverlad“ ist abenteuerlich, aber bequem, die Fahrt durch den 15,4 km langen Furka-Basistunnel dauert 15 Minuten. im Sommer ermöglicht der Autozug eine Zeitersparnis gegenüber der 45-minütigen Fahrt über den Furkapass. Er kostet in den Sommermonaten 27 CHF.

M. Regionale Tickets mit Festpreisen

Besonders für Touristen sind in der Schweiz Fahrkarten attraktiv, die zur freien Nutzung von Bahn, Bus, Schiff und zahlreichen Bergbahnen innerhalb des Streckennetzes berechtigen. So gelangt man etwa mit dem „Tell Pass“ sowohl in das Skigebiet Titlis in der Zentralschweiz als auch über Seilbahnen auf den Berg „Pilatus“ und kann überdies mit dem Schiff von Luzern nach Küssnacht auf dem Vierwaldstätter See fahren. Er kostet für zwei Erwachsene für 3 Tage nur 220 CHF.

N. Verkehrshaus der Schweiz 

Das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern ist ein vielseitiges Verkehrs- und Kommunikationsmuseum und das meistbesuchte Museum der Schweiz. Es zeigt eine große Sammlung von Lokomotiven, Autos, Schiffen und Flugzeugen sowie eine Ausstellung zum Thema Verkehrssicherheit. Auch eine stillgelegte originale Elektrolokomotive „Krokodil“, der Höhepunkt der schweizerischen Maschinenästhetik, kann dort besichtigt werden. Der Preis ist allerdings gesalzen, für 2 Erwachsene zahlt man 64 CHF, ohne den Aufpreis für den Besuch des Planetariums.

O. Spritpreise und Kosten für Bahnfahrten

Die Treibstoffpreise für Benzin sind in der Schweiz mit Deutschland vergleichbar. Diesel kostet aber ca. 20 Cent mehr als in Deutschland, womit der Spritpreis zu den höchsten europaweit gehört. Dies liegt daran, dass Diesel mit ca. 88 Rappen pro Liter Treibstoff besteuert wird.[26] Die Preise für Zugfahrten in der Schweiz sind ebenfalls verhältnismäßig hoch. So zahlt man z.B. von Zürich nach Basel in der zweiten Klasse 52 €. In Deutschland würde man für eine vergleichbare Strecke von ca. 110 km circa 30 € bezahlen.

P. Beliebte Fahrzeugmarken

In der Schweiz sieht man im Straßenverkehr ähnliche Fahrzeugmodelle wie in Deutschland. Demgegenüber sieht man öfter als in Deutschland Fahrzeuge der Marke „Subaru“ die in den schweizerischen Zulassungsstatistiken recht weit oben auftauchen. Beliebt sind auch Fahrzeuge des japanischen Fahrzeugherstellers „Isuzu“, vor allem in der Kategorie Pick-Ups.

Q. Maßnahmen zum Lärmschutz

Für Motorradfahrer bedeutsam ist, dass es im Kanton Genf Lärmblitzer gibt: Geblitzt wird, wer zu laut ist. Ein Lärm-Blitzer funktioniert ähnlich wie ein Geschwindigkeits-Blitzer, nur dass nicht derjenige angezeigt wird, der zu schnell ist, sondern derjenige, der zu laut ist. Wenn das Fahrzeug einen bestimmten Lärm-Grenzwert übersteigt, zeigt dies das Gerät an. In der ersten Testphase sollen im Kanton Genf zu laute Fahrer nur auf die Überschreitung hingewiesen werden, indem ein entsprechender Texthinweis ("Leiser!") angezeigt wird. Ein Bußgeld fällt im Rahmen des Pilotprojektes noch nicht an.[27]

R. Eigenheiten im Straßenverkehr

Auf Anhieb nicht erklärbar war mir ein innerorts ausgestelltes Warnschild „Oelwehr“. Es weist auf Straßenabsperrungen hin bei Einsatzmaßnahmen zur Ölschadenbeseitigung, etwa bei Ölspuren. Der größte Mobilitätsclub in der Schweiz nennt sich Touring Club Schweiz (TCS). Die Querstreifen an Zebrastreifen oder „Fussgängerstreifen“, wie es in der Schweiz heißt, sind gelb, nicht weiß. Dies ergibt sich aus Art 77 SSV (Signalisationsverordnung). Man geht davon aus, dass die Farbe auffallender ist als Weiß und daher das Vorrecht der Fußgänger besonders hervorhebt.[28] An den zahlreichen Baustellen in der Schweiz trifft man auf Baustellenampeln, die nicht von rot auf grün, sondern von rot auf gelbes Blinklicht umspringen, was anfänglich etwas irritiert. Auch sind Baustellenampeln mit einer Count-down-Anzeige in Sekunden ausgestattet. Der Polizeinotruf lautet in der Schweiz nicht „110“, sondern „117“

S. Weitere Besonderheiten 

Kreisverkehr ist auch in der Schweiz sehr beliebt. Der größte Kreisverkehr der Schweiz befindet sich in der Nähe von Hinwil, im Zürich-Oberland. Dieser hat einen Durchmesser von ca. 1,5 Kilometer. Er verbindet die A52 mit der A53. In der Mitte des Kreisverkehrs ist ein Verkehrsübungsplatz eingerichtet.[29] In der Schweiz besteht auch am Tag eine Lichtpflicht für alle motorisierten Fahrzeuge außer für Motorräder oder Motorfahrzeuge.[30]

T. Fazit

  1. Vergleicht man die Rechtsvorschriften in der Schweiz mit Deutschland, so findet man hierzulande die wesentlich gemäßigteren Verkehrsregeln vor, was man am fehlenden generellen Tempolimit in Deutschland, vergleichsweise niedrigeren Sanktionen, und höheren Grenzwerten beim Alkoholkonsum erkennen kann. Ferner sind die Hürden für die Erteilung der Fahrerlaubnis in der Schweiz höher als in Deutschland. Einzig bei E-Rollern verzichtet die Schweiz auf einen Versicherungsschutz und erscheint damit moderater.
  2. Die rigorosen Vorschriften in der Schweiz zeigen ganz offensichtlich eine hohe Wirkung und verbessern maßgeblich die Verkehrssicherheit. Aus den Statistiken zu Verkehrstoten auf Autobahnen geht hervor, dass nur vier Länder sicherer in Europa als die Schweiz sind. Statistisch steht die Schweiz deutlich besser als Deutschland da. Das Alpenland hat im Straßenverkehr vergleichsweise geringere Zahlen von Verkehrstoten.[31]

 

[1] „Vignette Schweiz“, abgerufen am 3.6.2021, https://www.allianz-autowelt.de/unterwegs/vignette-schweiz/
[2] „Maut in Europa: Hier müssen deutsche Autofahrer zahlen“ v. 18.06.19, abgerufen am 3.6.2021, https://www.tz.de/auto/mautgebuehren-europa-zr-5128404.html
[3] „Kleben und Kratzen kann man sich bald schenken: Ab 2022 kommt die E-Vignette in der Schweiz“ v. 16.09.20, abgerufen am 4.6.2021, https://www.suedkurier.de/baden-wuerttemberg/kleben-und-kratzen-kann-man-sich-bald-schenken-ab-2022-kommt-die-e-vignette-in-der-schweiz;art417930,10615435 
[4] «Espresso Aha!»-Deshalb sind Autobahn-Schilder grün oder blau v. 23.2.19, abgerufen am 3.6.2021, https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/deshalb-sind-autobahn-schilder-gruen-oder-blau
[5] Schweizerische Eidgenossenschaft, „Helvetia“ = Volksstamm der Helvetier.
[6] „Autonummer“, abgerufen am 27.5.2021, https://schweiz.fandom.com/de/wiki/Autonummer
[7] Luginbühl, „MFK - Die Motorfahrzeugkontrolle in der Schweiz“, abgerufen am 1.6.2021, https://www.autoscout24.ch/de/c/d/information/mfk-die-motorfahrzeugkontrolle-in-der-schweiz?a=1300
[8] Mofa und e-Bike, abgerufen am 2.6.21, https://www.sg.ch/verkehr/strassenverkehr/fahrzeuge/mofa_ebike.html
[9] Fromm, NZV 2020, 230 ff.
[10] „Kuriose Schweiz: Die Vignette fürs Fahrrad“ v. 11.09.19, abgerufen am 05.6.21

https://www.suedkurier.de/region/hochrhein/kreis-waldshut/Kuriose-Schweiz-Die-Vignette-fuers-Fahrrad-Requiem-auf-ein-Symbol-eidgenoessischen-Eigensinns;art372586,10276053
[11] Fiolka, DAR-Extra 2010, 760; Steimer, DAR 2014, 377.
[12] Schneeberger, „Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitung / Temposünder“, abgerufen am 5.6.2021, https://www.lexwiki.ch/geschwindigkeitsuebertretung/
[13] Hering, SVR 2008, 174.
[14] „Tempolimiten und Geschwindigkeitsüberschreitungen“, abgerufen am 1.6.2021, https://www.ch.ch/de/geschwindigkeitsueberschreitungen/
[15] Fromm, SVR 2020, 361, 364.
[16] „Deut­scher Raser muss ein Jahr in Haft“ v. 25.04.18, abgerufen am 1.6.2021, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-stuttgart-1ws2318-vollstreckung-freiheitsstrafe-schweizer-urteil-irg-beiderseitige-sanktionierbarkeit/
[17] „Verkehrsregeln: Neuerungen für 2021“ v. 1.1.2021, abgerufen am 30.05.2021,

https://www.moto.ch/verkehrsregeln-neuerungen-fuer-2021/
[18] „Ein sehr teurer Führerausweis“ v. 20. Oktober 2017, abgerufen am 3.6.2021, https://www.swissinfo.ch/ger/autofahren-in-der-schweiz_ein-sehr-teurer-fuehrerausweis/43614002
[19] „Ein sehr teurer Führerausweis“ v. 20. Oktober 2017, abgerufen am 3.6.2021, https://www.swissinfo.ch/ger/autofahren-in-der-schweiz_ein-sehr-teurer-fuehrerausweis/43614002
[20] https://www.lohncheck.ch/de/lohn/verkauf/verkäufer, abgerufen am 4.6.2021.
[21] „Alkohol am Steuer: was gilt?“, abgerufen am 3.6.2021, https://www.ch.ch/de/alkohol-im-strassenverkehr-und-in-der-schifffahrt/
[22] „Drogen: Koksen oder fahren?“, abgerufen am 3.6.2021,  https://www.amsteuernie.ch/de/wissen/drogen/
[23] Zanker „Rote Ampel überfahren in der Schweiz“ v. 23.11.2020, abgerufen am 5.6.21, https://www.vertragshilfe.ch/rote-ampel-ueberfahren-schweiz/
[24] „Telefonieren und SMS-Schreiben am Steuer“ v. 23.4.19, abgerufen am 8.6.21; https://www.law-news.ch/2019/04/verkehrsrecht-telefonieren-und-sms-schreiben-am-steuer-2
[25] „Was Sie schon immer über Elektromobile wissen wollten“, abgerufen am 7.6.21, https://www.zermatt.ch/Media/Magazinbeitraege/nh-elektromobile
 
[26] „Warum ist der Preis für Diesel in der Schweiz teurer“, abgerufen am 5.6.2021, 

https://www.carhelper.ch/blog/warum-ist-der-preis-fuer-diesel-in-der-schweiz-teurer/
[27] „Mit dem Motorrad durch die Schweiz“ v. 28.04.2021, abgerufen am 3.6.2021, https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/zweirad/motorrad-roller/recht/schweiz/
[28] Schweizer, „Die Geschichte des Fussgängerstreifens“, 2010/11, Fussverkehr Schweiz (Hrsg.), abgerufen am 1.6.2021, https://fussverkehr.ch/fileadmin/redaktion/publikationen/FB_2007_04_Geschichte_FGS.pdf
[29] „Acht kuriose Fakten rund ums Thema Auto und Schweiz“ v. 17.2.16, abgerufen am 3.6.2021, https://www.autosprint.ch/lifestylepeople/sieben-kuriose-fakten-rund-ums-thema-auto-und-schweiz/
[30] „Bussgeldkatalog Schweiz – Wichtige Infos für Ihre Urlaubsreise“, abgerufen am 5.6.2021, https://www.bussgeldkatalog.org/schweiz/#lichtpflicht_-_auch_am_tag
[31] Janson, „Todesfälle auf Autobahnen im Europa-Vergleich“ v. 18.10.2019, abgerufen am 3.6.2021, https://de.statista.com/infografik/16765/todesfaelle-auf-autobahnen-im-europa-vergleich/

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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