Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Rechtsberater in Koblenz
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Dienstag, 13.09.2005

Prozesskostenhilfe für den Verletzten bei Nebenklage



von
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Nimmt der Rechtsanwalt im Rahmen eines neuen Mandats die Interessen des Opfers einer Straftat wahr, so sollte vom bedeutenden Institut der Nebenklage Gebrauch gemacht werden. Bekanntlich genügt für die Zulassung der Nebenklage an einem Strafverfahren die rechtliche Möglich­keit der Verurteilung des Täters wegen eines Nebenklagedelikts, vgl. § 395 StPO. Klassische Nebenklagedelikte sind Körperverletzung, Aussetzung, Menschenraub, schwere Freiheitsberaubung, Sexualdelikte, Mord und Totschlag. Nur in dem Falle, dass es sich bei dem Täter um einen Jugendlichen handelt, scheidet Nebenklage als unzulässig aus (§ 80 Abs. 3 JGG). Bei Tateinheit von Offizial- und Nebenklagedelikt ist auch dann der Anschluss möglich, wenn die Anklage das Nebenklagedelikt nicht beinhaltet. Im Rahmen der Nebenklage kann sich der Verletzte ggf. bestehende Schadensersatzansprüche nach Zivilrecht erkämpfen, steht ihm doch hier eine eigene Rechtsmittelbefugnis zu, vgl. §§ 400, 401 StPO. Entschließt sich der Verletzte aus diesen Gründen, als Zeuge und Nebenkläger im Rahmen des gegen den Täter gerichteten Strafverfahrens aufzutreten, so stellt sich unmittelbar die Frage der Kostentragung für die Beauftragung des Opferanwalts. Hat der Verletzte eine Rechtsschutzversicherung, so lehnt diese regelmäßig eine Kostenübernahme für einen Opferanwalt mit der Begründung ab, es liege eine sogenannte „aktive Nebenklage“ vor, bei der nach den Versicherungsbedingungen keine Deckungszusage erteilt wird. 
 
Der Gesetzgeber hat in § 397 a I StPO bestimmt, dass bei Nebenklagen, in denen es um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder -versuchten- Mord oder Totschlag geht, stets ein Beistand zu bestellen ist, auch wenn der Nebenkläger nicht bedürftig im Sinne der Prozesskostenhilfe ist, und ohne Rücksicht darauf, ob die Sach- und Rechtslage schwierig oder ob ihm eine Eigenwahrnehmung möglich oder zumutbar ist. Gemäß § 397 a II i.V.m. § 406 g III StPO hat der Verletzte bei anderen Nebenklagedelikten ein Recht auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist, der Verletzte seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird bei mittelschweren Delikten also an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. Der vorliegende Beitrag wird sich hiermit näher befassen, wobei unterstellt wird, dass die formellen finanziellen Voraussetzungen für die Ge­währung von Prozesskostenhilfe nach dieser Vorschrift vorliegen, d.h. dass sich das Opfer keinen eigenen Rechtsanwalt an seiner Seite leisten kann.
 
Ähnlich wie bei der Pflichtverteidigung im Rahmen von 140 Abs. 2 StPO wird für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Opfer mittelschwerer Delikte in § 397 a II StPO gefordert, dass eine Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vorliegen muss oder der Verletzte unfähig ist zur selbstständigen Wahrnehmung seiner Interessen bzw. ihm dies unzu­mutbar ist.
 
Die Frage, ob dem Verletzten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Opferanwalts gewährt wird, ist von entscheidender Bedeutung: So bleibt der Geschädigte oftmals selbst dann auf den Rechtsanwaltskosten sitzen, wenn das Gericht im Falle der Verurteilung des Täters entschieden hat, dass der Verurteilte gemäß § 465 StPO auch die Kosten der Nebenklage zu tragen hat: z.B. wenn der Täter mittellos ist. Daher bleibt für den Verletzten bei entsprechenden finanziellen Voraussetzungen als einzige Möglichkeit das Institut der Prozesskostenhilfe für die Nebenklage.
 
Ernsthafte Chancen, dass ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe positiv beschieden wird, hat also nur derjenige, der zur selbständigen Wahrnehmung seiner Interessen außerstande ist, ihm dies unzumutbar ist oder die Sach- und Rechtslage schwierig ist. In den Kommentierungen zur Strafprozessordnung wird zur Definition der unbestimmten Rechtsbegriffe an dieser Stelle auf die Bestimmungen der Pflichtverteidigung verwiesen. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 397 a Abs. 1 StPO ist den Bestimmungen über die Pflichtverteidigung nachgebildet. Die Sachlage ist z. B. schwierig bei einer umfangreichen, voraussichtlich länger dauernden Beweisaufnahme oder wenn nur eine voraussichtlich kurze Beweisaufnahme vorliegt, bei besonderen Problemen, z.B. die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Kindes. Die Rechtslage gilt als schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt oder die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird. Klassischer Fall der Unfähigkeit zur Selbstverteidigung ist die Vertretung von Ausländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dem Nebenkläger bzw. der Nebenklägerin ist es nicht zumutbar, sich ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Nebenkläger dem Strafverfahren anzuschließen bei Sexualdelikten. 
 
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Sach- und Rechtslage schwierig ist bzw. der Nebenkläger zur selbständigen Wahrnehmung seiner Interessen unfähig ist bzw. ihm ein Erscheinen ohne Rechtsanwalt zumutbar ist, gehen die Meinungen auseinander. Bei Körperverletzungsdelikten entscheiden sich Gerichte regelmäßig auch in Anbetracht der angespannten Haushaltssituation gegen die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit dem Argument, der Verletzte sei in der Lage, selbstständig seine Interessen wahrzunehmen. Das Interesse des Strafgerichts an der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist auch aus dem Grunde gering, da Prozesskostenhilfe ein typisches zivilrechtliches Institut ist und daher langjährigen Strafrichtern weitgehend unbekannt ist. Der regelmäßig vorzufindende Hinweis auf die Fähigkeit zur selbständigen Wahrnehmung der Interessen des Nebenklägers überzeugt nicht. So dürfte dem Laien in der Regel nicht bekannt sein, dass im Falle einer Verurteilung des Täters zu einer Bewährungsstrafe die Möglichkeit besteht, im Rahmen des Plädoyers des Nebenklägers den Antrag zu stellen, als Bewährungsauflage an das Opfer Schmerzensgeld zu  zahlen oder beantragt werden kann, die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Verurteilten aufzuerlegen. Es erscheint auch schlechterdings ausgeschlossen, dass ein Laie eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er als Nebenkläger Schadensersatzansprüche für ein Adhäsionsverfahren beziffert. Auch das eigene Fragerecht des Nebenklägers oder seine Rechtsmittelbefugnis gemäß § 401 StPO dürfte gemeinhin unbekannt sein. Von daher sind nach Auffassung des Unterzeichners kaum Fälle denkbar, in denen bei einem Nebenkläger die Fähigkeit zur Wahrnehmung der eigenen Interessen besteht.
 
Eine ausreichende Befähigung des Nebenklägers zur Selbstvertretung kann aus den vorgenannten Gründen nur bei einem rechtskundigen Volljurist angenommen werden.
 
Nur wenn den Verletzten eine Mitschuld trifft, der Nebenkläger also zum Beispiel die Straftat durch massive Beleidigungen selbst provoziert hat, sollte Prozesskostenhilfe verwehrt werden.
 
Kurioserweise wird landläufig gerade in diesen Fällen der selbstverursachten Opferlage regelmäßig Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Entscheidung des erstinstanzlichen Strafgerichts über die sachlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe für den Nebenkläger sind schon aus dem Grunde von herausragender Bedeutung, da dieser Beschluss gemäß § 397 a Abs. 3 Satz 2 StPO unanfechtbar ist. Der Verletzte bzw. sein Anwalt hat also diesbzgl. keine eigene Rechtsmittelbefugnis und muss die ablehnende Entscheidung des Strafgerichts akzeptieren.

Begründet wird die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe durch das mit der Sache befasste Gericht mit der Prozessökonomie und dem Bedürfnis nach schneller Klärung der Rechtslage hinsichtlich der Prozesskostenhilfe.

Die unberechtigte Ablehnung von Prozesskostenhilfe geht unmittelbar zu Lasten des Geschädigten. Dies kann nicht im Sinne des Zeugenschutzge­setzes vom 30.04.1998 sein. So wird der Verletzte entweder ohne anwaltlichen Beistand zur Strafverhandlung erscheinen oder muss mit der Gefahr rechnen, selbst im Falle einer Verurteilung des Täters auf den Rechtsanwaltskosten sitzen zu bleiben. Damit hat das Opfer ein Risiko zu tragen, das erkennbar dem Sinn der Regelung zuwiderläuft. Zwar kann der Opferanwalt seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für seinen Mandanten unter seiner Beiordnung erneut stellen, es empfiehlt sich auch, dass der rechtliche Beistand hier detailliert die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Einzelnen erneut darlegt. Das mit der Sache befasste Gericht wird in der Regel jedoch nicht von seinem bereits gefassten Beschluss abrücken. Zudem würde man die Unanfechtbarkeit des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 397 a Abs. 3 Satz 2 StPO unterlaufen. 
 
Die Gerichte sollten zur Vermeidung gesetzlich nicht gewollter Einschränkungen für das Opfer die sachlichen Voraussetzungen des § 397 a Abs. 2 StPO extensiv auslegen und nur dort Prozesskostenhilfe versagen, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint (vgl. § 114 am Ende ZPO). 
 
Wird dem Nebenkläger erstinstanzlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt, so sollte diese in einem Berufungsverfahren erneut bean­tragt werden. Auch demjenigen, dem erstinstanzlich PKH bewilligt wurde, muss darauf achten, diese in einer zweitinstanzlichen Strafverhand­lung erneut zu beantragen.
 
Prozesskostenhilfe ist nämlich für jeden Rechtszug gesondert zu gewähren (§ 406 g Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 119 ZPO).

Im Rahmen einer Gesetzesänderung sollte in die Vorschrift des § 397 a StPO eingefügt werden, dass Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch derjenige hat, der Opfer einer mittelschweren Straftat ist. Schließlich besteht in vergleichbaren Fällen auch ein Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers und § 397 a Abs. 2 StPO ist dieser Regelung nachgebildet. Dies würde zur Folge haben, dass bei einer Straferwartung von ca. 1 Jahr Freiheitsstrafe ein Anspruch auf Beiordnung eines Opferanwalts unter Gewährung von Prozesskostenhilfe besteht. Darüber hinaus sollte auch zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz § 397 a Abs. 3 Satz 2 StPO gestrichen werden und dem Verletzten im Strafprozess die Möglichkeit gegeben werden, eine ggf. offenkundig falsche Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Erstgericht überprüfen zu lassen.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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