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Wer von seinem Vertragspartner vor oder bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht worden ist, der kann den Vertrag durch Anfechtung nachträglich beseitigen. So steht es im Gesetz (§ 123 BGB). Eine Täuschung kann auch im Verschweigen eines relevanten Umstands liegen, über den man den Vertragspartner hätte aufklären müssen. Täuschung ist vor allem die bewusst wahrheitswidrige Information, also die Lüge.
Das gilt im Prinzip auch für den Arbeitsvertrag. Und dennoch: In bestimmten Fällen verweigern die deutschen Gerichte dem Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages, obwohl der Arbeitnehmer beim Vorstellungsgespräch oder beim Ausfüllen eines Personalfragebogens im Vorfeld des Arbeitsvertrages gelogen hat. Es gebe nämlich Fälle, in denen die Lüge zwar Täuschung sei, aber nicht arglistig erfolge, was aber unabdingbare Bedingung für die Anfechtbarkeit ist. Die Arglist der Täuschung fehlt nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte insbesondere immer dann, wenn sich der Arbeitsuchende gegen eine unzulässige Frage des potentiellen Arbeitgebers nicht anders als durch Lüge wirksam zu wehren weiß.
Eingängig lässt sich das Problem der weiblichen Arbeitsuchenden darstellen, die zum Zeitpunkt des Vorstellungsgespräches schwanger ist. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (der sich in der EG-Richtlinie 76/207/EWG wiederfindet) ist die Frage des Arbeitgebers nach einer bestehenden Schwangerschaft der Arbeitsuchenden diskriminierend im Sinne von § 611 a BGB und demzufolge unzulässig. Wie aber soll die Arbeitssuchende sich verhalten, wenn der zukünftige Chef trotzdem fragt? Gibt sie ihre Schwangerschaft zu, so läuft sie erhebliche Gefahr, die Stelle nicht zu bekommen. Antwortet sie aber gar nicht, beruft sie sich vielleicht sogar darauf, auf eine unzulässige Frage nicht antworten zu müssen, so wird dies für die meisten Arbeitgeber Antwort genug sein. Denn wenn die Arbeitsuchende nicht schwanger wäre, würde sie das sagen. Ob die Arbeitsuchende also wahrheitsgemäß antwortet oder ob sie schweigt, bleibt für sie gleich. Meist wird sie die angestrebte Stelle nicht bekommen. Damit aber wirkt sich die Unzulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft im Ergebnis gar nicht aus. Unzulässig oder nicht, der Arbeitgeber weiß, was er wissen wollte. Der einzige Ausweg für die schwangere Arbeitsuchende, die nach einer Schwangerschaft befragt wird, ist daher, rundheraus zu lügen, mit der Behauptung, nicht schwanger zu sein.
Diese Lüge sieht die Rechtsprechung nicht als arglistige Täuschung an.
Das gilt, nach einer gerade veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6.2.2003 (BAG 2 AZR 621/91) selbst dann, wenn die schwangere Arbeitssuchende die Tätigkeit wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes zunächst gar nicht ausüben kann (schwere körperliche Arbeiten, Umgang mit Gefahrstoffen, schädliche Immissionen am Arbeitsplatz etc). In Fortentwicklung der bisherigen Rechtssprechung hat das BAG entschieden, dass das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot regelmäßig nur vorübergehender Natur ist und es damit nicht zu einer dauerhaften Störung des Vertragsverhältnisses führen kann.
Ergänzt wird der Schutz des Arbeitsuchenden vor allem im Hinblick auf Fragen nach dem Gesundheitszustand oder evtl. Schwangerschaften noch dadurch, dass nicht nur bei wahrheitswidrigen Angaben gegenüber dem Personalchef die Anfechtung ausgeschlossen wird, sondern auch dann, wenn der Arbeitsuchende auf eine entsprechende Frage des Werksarztes hin lügt, von dem er sich im Rahmen der Einstellung untersuchen lassen muss.
Trotz der hier beschriebenen rechtlichen Möglichkeit, den zukünftigen Arbeitgeber beim Bewerbungsgespräch direkt anzulügen, wird jeder Arbeitssuchende aber gut daran tun, sich mit dieser Problematik eingehend vor dem Bewerbungsgespräch zu befassen und sich darüber Klarheit zu verschaffen, wie er auf „unangenehme“ Fragen antworten wird. Denn dem persönlichen Klima wird es niemals zuträglich sein, wenn sich irgendwann herausstellt, dass der Arbeitsuchende den Arbeitgeber beim Bewerbungsgespräch belogen hat. Andererseits sollte man den Mut aufbringen, im Bewerbungsgespräch die Unwahrheit zu sagen, wenn der Arbeitgeber versucht, mit unlauteren Mitteln herauszufinden, ob der Arbeitsuchende die gewünschten Voraussetzungen erfüllt.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.