Rechtsanwalt Lars Christian Nerbel, Rechtsberater in Bonn
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Freitag, 18.08.2017

Gerüche im Treppenhaus aus miet- und nachbarrechtlicher Sicht



von
Lars Christian Nerbel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Die Haupturlaubszeit in diesem Jahr neigt sich dem Ende. Viele von uns bereisten ferne Länder und kommen mit neuen Eindrücken von Land und Leuten zurück. Auch neue und teilweise exotische Küchen mit deren Gewürzen haben es uns angetan. Die alltäglichen Fernsehkochshows zeigen, dass wir wieder vermehrt selbst zum Kochlöffel greifen. So verwundert es nicht weiter, wenn wir, wieder aus dem Urlaub zurück, mit Beginn der tristeren Jahreszeit wieder in der Küche stehen und uns die im Urlaubsland kennengelernten Gewürze besorgen und freudig zum Einsatz bringen. Nur, was halten die Nachbarn davon, wenn auch der Hausflur und das Treppenhaus von diesen Gerüchen eingenommen wird.

Gibt es Grenzen? Was ist erlaubt? Ein Blick auf rechtliche Regelungen und eine, zugegebener Maßen ältere Entscheidung zeigen die Problematik sehr anschaulich auf.

§§ 536, 906 BGB

In § 536 BGB ist die Mietminderung des Mieters gegenüber dem Eigentümer geregelt. „Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.“ Hiernach gilt demnach, dass, soweit es sich nicht um eine unerhebliche Minderung der Bewohnbarkeit handelt, der Mieter angemessen die Miete mindern kann.

Stehen sich benachbarte Hauseigentümer gegenüber, kann gem. § 906 BGB „der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden.“

Beiden Vorschriften gemeinsam ist die „Erheblichkeitsschwelle“. Erst wenn dies überschritten ist, kann im Mietverhältnis der Mieter die Miete „angemessen“ mindern.

„Erheblich“ und „Angemessen“

Da „Erheblich“ und „Angemessen“ für jeden Betroffenen in der jeweiligen Situation unterschiedlich bewertet werden, handelt es sich bei diesen gesetzlichen Formulierungen um unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe, da sie vage und  mehrdeutig sind und sich deren objektiver Sinn nicht sofort erschließt. Diese inhaltliche Unschärfe wird am Ende für den konkreten Einzelfall von den Gerichten geklärt.

Konkrete Beweisbarkeit

In einem vor dem Landgericht Essen 1999 entschieden Fall urteilte das Gericht „Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen P nicht fest, dass eine Gebrauchsbeeinträchtigung durch Gerüche in einem Ausmaß vorliegt, die eine 30%-ige Minderung rechtfertigt“. Der Sachverständige hat zu konkreten Beeinträchtigungen keinerlei Angaben gemacht, da zum Zeitpunkt der von ihm durchgeführten Ortsbesichtigung keine Küchengerüche austraten. Er hat lediglich theoretisch ausgeführt, dass es aufgrund der baulichen Gegebenheiten im Haus zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommen kann.“

Hätte-hätte-Fahrradkette. Während des Termins zur Erstellung des Gutachtens wurde nicht gekocht. Der Gutachter konnte demnach keine Gerüche feststellen. Damit konnte die Frage, ob die Gerüche „Erheblich“ und in welchem Maße die vorgenommene Mietminderung auch „Angemessen“ wäre, schlicht nicht beantwortet werden. Die aufgrund der baulichen Gegebenheiten rein theoretische Möglichkeit der Geruchsbelästigung reichten nicht aus.

Zeugen und die subjektive Wahrnehmung

Nachdem eine gutachterlich objektive Feststellung nicht möglich war, wurden die Zeugen befragt. Die Urteilsgründe kommen zu dem Ergebnis: „Aber auch nach Vernehmung der Zeugen ist nicht bewiesen, dass die Nutzung ….über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird. Zwar haben die Zeugen M, T. und H. Q. und X bekundet, dass sie sich von Kochdünsten, die aus dem Küchenabzug dringen, zu den unterschiedlichsten Tageszeiten beim Aufenthalt in Haus und Garten belästigt fühlen. Sämtliche Zeugen haben hierzu ausgesagt, dass es sich um sehr intensive Kochgeruche verschiedenster Art handele. Der Zeuge T. Q. hat ergänzt, dass er teilweise Gerüche in einer Intensität wahrnehme, wie er sie normalerweise nur aus gewerblichen Küchen kenne. Nach Auffassung der Kammer reicht dies jedoch nicht aus, um eine Minderung zu rechtfertigen. Zwar mag es sein, dass aufgrund der baulichen Gegebenheiten auftretende Kochgerüche in größerer Intensität auftreten und von den Bewohnern als Belästigung empfunden werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme läßt sich aber nicht feststellen, dass es sich hierbei um eine durchgängige erhebliche Belästigung handelt. Vielmehr steht nach den Zeugenaussagen fest, dass es sich jedenfalls um einen, wenn auch nach ihrem Empfinden extremen, Kochgeruch, der bei der Zubereitung von Lebensmitteln entsteht, handelt. Dass Nachbarn zu den unterschiedlichsten Zeiten und jeweils nach ihrem Geschmack kochen, ist jedoch grundsätzlich zu dulden, auch wenn dies nicht unbedingt den Vorstellungen der anderen entspricht. Nicht zuletzt zu berücksichtigen ist, dass hinsichtlich der von den Zeugen bekundeten Intensität der Gerüche subjektive Wahrnehmungen je nach dem eigenen Vorstellungsbild sehr unterschiedlich sind. Bereits bestimmte Situationen oder ein unterschiedlicher Lebensrhythmus können hier dazu führen, daß Kochgerüche als extrem störend empfunden werden. Dies bestätigt sich zum Beispiel darin, dass der Zeuge H. Q. bekundet hat, man sie öfter beim Kaffeetrinken auf der Terrasse von Essensgerüchen überfallen worden und die Beklagte selbst erklärt hat, sie fühle sich belästigt, wenn sie an späten Vormittagen bereits beim Aufstehen Kochgerüche wahrnehme. Hier ist es durchaus nachvollziehbar, dass die betreffenden Nachbarn sich aufgrund der speziellen Situation in einer anderen Weise belästigt fühlen als wenn sie selbst zum Beispiel mit der Zubereitung eines Mittagessens beschäftigt wären. Allein aus diesen Umständen ergibt sich jedoch nicht der Nachweis, dass die Gerüche tatsächlich das Maß des Empfindens eines normalen Durchschnittsmenschen, auf den abzustellen ist, überschreiten.“

Extreme Geruchsbelästigung als Vertragsverletzung

Ungeachtet der aufgezeigten Schwierigkeiten in der Beweisbarkeit entschied das AG Bonn 2014, dass eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen schwerer Geruchsbelästigung, auch aufgrund eines Gutachtens eines „Geruchssachverständigen“, wegen Vertragsverletzung begründet war. Voraussetzung allerdings ist eine zuvor schriftlich ausgesprochene Abmahnung.

Fazit:

Haushaltsübliche Essengerüche sind als sozialadäquat grundsätzlich zu dulden. Die unterschiedliche subjektive Wahrnehmung von Duft oder Geruch tragen dazu bei.

Wer das Gebot der gegenseitigen Rücksicht vermissen lässt, soll zunächst freundlich darauf hingewiesen werden. Vielleicht kann man sich auch mit einer Selbsteinladung ebenfalls an den neuen exotischen Gewürzen erfreuen lernen.

Für Vermieter ist neben der schwierigen Beweisführung die vorherige schriftliche Abmahnung unabdingbar.

Erst eine durchgängige erhebliche Belästigung, die über das zu duldende sozialverträgliche Maß weit hinausgeht, berechtigt den Mieter zur Mietminderung von regelmäßig 4 bis 7 % und den Vermieter zur Kündigung nach erfolgloser Abmahnung.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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