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Kann sich der öffentliche Auftraggeber bei einem Vergabeverfahren externer Dritter – etwa Beschaffungsdienstleister – bedienen, die für ihn den Vergabeprozess abwickeln? Ja! Aber hier ist Vorsicht geboten! Mit den notwendigen Voraussetzungen, die der öffentliche Auftraggeber einzuhalten hat beschäftigt sich der folgende Artikel anhand der einschlägigen Rechtsprechung
Der öffentliche Auftraggeber (AG) darf nicht alle seine Aufgaben delegieren. Dies zeigt eine neuere Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.02.2022 – 11 Verg 8/21. Hiernach darf der öffentliche Auftraggeber seine Vergabeentscheidungen nicht auf Beschaffungsdienstleister übertragen bzw. delegieren. Das OLG Frankfurt am Main stellt fest, dass ein AG seine eigene Verpflichtung zur Ausschreibung von Dienstleistungsaufträgen umgehe, wenn er deren freihändige Vergabe durch einen – externen Dritten – wie etwa den eigenständig agierenden Betreiber einer Vermittlungsstelle anordnet. Ein Beschaffungsdienstleister dürfe den öffentlichen Auftraggeber zwar unterstützen, jedoch keine eigenen Auswahlentscheidungen im Zusammenhang mit den zu vergebenden öffentlichen Aufträgen treffen.
Im Rahmen der sofortigen Beschwerde hatte das OLG Frankfurt am Main die Vergabeentscheidung einer kreisfreien Stadt (AG) zu beurteilen, welche einen Dienstleistungsauftrag zur Vermittlung von Abschleppaufträgen, sicheren Verwahrung und Herausgabe der Kraftfahrzeuge veröffentlicht hatte. Der Auftragnehmer dieses Vergabeverfahrens sollte eine Art Vermittlungszentrale betreiben, welche die abgeschleppten Fahrzeuge an die zuständige Behörde meldet und die Abschleppaufträge an die Unternehmen vergibt. Deshalb wurde nach der Auftragsbekanntmachung noch eine zusätzliche, ergänzende Bekanntmachung veröffentlicht, wonach sich keine Abschleppunternehmen an dem Verfahren beteiligen dürften. Hiergegen wendete sich ein Abschleppunternehmer als Antragsteller (Ast). Nach erfolgloser Rüge stellte es einen Vergabenachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Hessen unter anderem mit dem Vortrag, dass die Nichtzulassung von Angeboten von Abschleppunternehmen diskriminierend sei und die AG die Beschaffung von Abschleppdienstleistungen nicht gänzlich auf Dritte übertragen könne. Die Vergabekammer Hessen verpflichtete die AG zur Aufhebung des Vergabeverfahrens und gab ihr auf, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht dürfe sie die hoheitlichen Abschleppleistungen nur vergeben, wenn zuvor ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren für die Leistung durchgeführt worden sei. Hiergegen legte die AG sofortige Beschwerde beim OLG Frankfurt am Main ein, welches den Antrag zurückgewiesen hat. Die Beauftragung von Abschleppunternehmen zur Beseitigung und Aufbewahrung verkehrswidrig abgestellter Fahrzeuge sei als Aufgabe der Ordnungsbehörde als öffentlicher Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1 GWB zu qualifizieren. Mit dem Vergabeverfahren umgehe die AG ihre Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung der Abschleppleistungen gemäß § 97 Abs. 1 GWB, indem sie einem externen Dritten die freihändige Vergabe dieser öffentlichen Dienstleistungsaufträge erlaube.
Der öffentliche Auftraggeber kann vergaberechtspflichtige Aufträge nicht auf externe Dritte delegieren, die für ihn eine Vergabeentscheidung treffen. Das OLG Frankfurt am Main stellt nicht in Frage, dass sich AG grundsätzlich externen Dienstleistern bedienen dürfen, die bei der Beschaffungstätigkeit unterstützend tätig werden. Der AG darf selbstverständlich sogenannte „Beschaffungsdienstleister“ beauftragen. Mit Beschaffungsdienstleistern im Sinne des § 6 Abs. 1 VgV sind diejenigen Personen gemeint, die nicht aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder als Organmitglieder in die Organisation des Auftraggebers eingegliedert sind, aber gleichwohl aufgrund vertraglicher Abrede für ihn tätig werden. Hierzu gehören die, mit freiberuflichen Beratern, (wie etwa Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Unternehmensberatern, Architekten und Ingenieuren) für das Projekt geschlossenen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverträge, Dienstleistungsverträge… (usw.). Sogenannte „Beschaffungsdienstleister“ können als externe Dritte die Nebenbeschaffungstätigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 15 der Richtlinie 2014/24/EU (Vergaberichtlinie) ausüben. Der Beschaffungsdienstleister darf beispielsweise:
· die technische Infrastruktur für die Auftragsvergabe bereitstellen,
· Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Vergabeverfahrens erbringen,
· das Vergabeverfahren im Namen des öffentlichen Auftraggebers (auch als Vergabestelle) größtenteils durchführen
· einen Vergabevorschlag erstellen und eine Bezuschlagung empfehlen.
Auch die Mitglieder eines vom AG eingesetzten „Preisgerichts“ – etwa bei Wettbewerben sowie Planungswettbewerben – sind Beschaffungsdienstleister im Sinne des § 6 Abs.1 VgV.
Die „eigentlichen“ Aufgaben des Vergabeverfahrens, wie etwa eine Vergabeentscheidung zu treffen, dürfen nicht auf den Beschaffungsdienstleister übertragen – delegiert werden. Die Vergabeentscheidungen müssen zwingend vom AG selbst getroffen werden. So darf beispielsweise das beratende Ingenieurbüro oder Architekturbüro, welches mit der Prüfung der Angebote beauftragt wurde, in keinem Fall die Entscheidung über den Ausschluss eines Angebotes aus dem Vergabeverfahren treffen und dem Bieter mitteilen, dass sein Angebot aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird.
Das OLG Frankfurt am Main lässt in seiner Entscheidung im Rahmen eines sogenannten obiter dictum (Ausführungen, auf denen das Urteil nicht beruht) wissen, dass ein AG „die Erfüllung von Leistungen“ auch auf eine juristische Person übertragen kann, die ihrerseits nicht dem GWB-Vergaberecht unterliegt oder unterfällt. Dann sei aber erforderlich, dass diese juristische Person die Aufträge ausschreibt, sprich das Vergaberecht anwendet. Nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob sich durch die Verpflichtung Dritter zur Durchführung des Vergabeverfahrens auch die Verantwortlichkeit zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vergabeverfahrens auf diesen verlagert, wie es etwa das OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015 – Verg 11/15 und das OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.11.2012 – 15 Verg 9/12 annehmen. Hingegen wird dies von anderen Obergerichten wie dem OLG Celle, Beschluss vom 13.10.2016 – 13 Verg 6/16, verneint.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.