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Donnerstag, 05.01.2023

Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch auch für datenschutzfremde Zwecke?

Meist diskutiert bei Versicherungsansprüchen



von
Dr. jur. Dirk Lindloff
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist eine EU-Verordnung, die Regeln für den Schutz personenbezogener Daten festlegt. Ein DSGVO-Auskunftsanspruch nach Artikel 15 DSGVO gibt einer Person das Recht, von einem Verantwortlichen (z.B. einem Unternehmen) Auskunft darüber zu verlangen, ob personenbezogene Daten von ihr verarbeitet werden und, wenn ja, Zugang zu diesen Daten zu verlangen. Häufig werden dabei auch Schreiben verlangt, die der Anspruchsteller schon einmal erhalten hatte.

Bereits seit einiger Zeit sind sich die Gerichte uneins, ob ein Auskunftsanspruch auch für datenschutzfremde Zwecke verwendet werden darf. Im Versicherungsrecht scheint es in Mode gekommen zu sein, eine Stufenklage zu erheben, um erst Auskünfte über die Grundlagen von Beitragsanpassungen zu erhalten und dann in der nächsten Stufe die Beitragsanpassung anzugreifen.

Eine Stufenklage ist ein Verfahren, bei dem eine Partei im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in mehreren Schritten vorgehen kann, um eine Entscheidung zu erzielen. Dies bedeutet, dass die Partei zunächst eine Thematik zur Entscheidung stellt. Mit den Ergebnissen - meine eine Auskunft - wird dann in der zweiten Stufe ein Leistungsantrag konkretisiert, also zum Beispiel die Höhe eines Anspruchs beziffert.

In jüngster Zeit sind zu dem Thema wieder ein paar Urteile ergangen

Das OLG Celle urteilte am 15.12.2022 für einen Auskunftsanspruch. Ein Auskunftsanspruch kann auch für datenschutzfremde Zwecke verwendet werden, solange die Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Rahmen der DSGVO erfolgt und der Verantwortliche keine gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten hat, die der Auskunft entgegenstehen. Ein Rechtsmissbrauch liegt in diesem Fall also nicht vor. Das Gericht betont:

"Unmaßgeblich ist auch die Motivationslage des Klägers, weil die Verordnung den Auskunftsanspruch nicht von einer bestimmten Zielsetzung des Anspruchsinhabers abhängig macht und dementsprechend der Antrag auf Auskunftserteilung auch nicht begründet werden muss (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2022 - 20 U 198/21; juris Simitis/Hornung/Spiecker, DS-GVO mit BDSG, Art. 15 DS-GVO, Rn. 11; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022; DS-GVO Art. 15, Rn. 85)."

Etwas differenzierter urteilte das OLG Karlsruhe im Urteil v. 29.11.2022. Es bewilligte den Auskunftsanspruch aber nicht auf Grund der DSGVO, sondern aus § 242 BGB. Hieraus folge ein Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers über zurückliegende Beitragsanpassungen und die ihm hierzu übermittelten Unterlagen, soweit ihm die entsprechenden Nachträge und Unterlagen nicht mehr vorliegen. Ein weitergehender Auskunftsanspruch über den Inhalt von ihm bekannten und vorliegenden Beilagen zu den Prämienanpassungen (Begründungen und Informationsblätter) folge (auch) nicht aus der DSGVO. Den Gründen ist insofern zu entnehmen, dass bei bereits vorliegenden Unterlagen das OLG Karlsruhe schnell von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen ausgeht:

"Denn einem Auskunftsanspruch steht jedenfalls Art. 12 Abs. 5 b) DSGVO entgegen. Danach kann sich der Verantwortliche bei offensichtlich unbegründeten oder exzessiven Anträgen weigern, aufgrund des Antrags des Betroffenen tätig zu werden, insbesondere Auskunft und Kopie nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zu erteilen. Ein exzessiver Antrag setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers voraus (Bäcker in Kühling/Buchner, DSGVO, 3. Aufl. Art. 12 Rn. 37). Dazu zählen etwa Anträge, die allein das Ziel verfolgen, den Verantwortlichen zu schikanieren (Heckmann/Paschke in Ehmann/Selmayer, DSGVO, 2. Aufl. Art. 12 Rn. 43; Bäcker aaO).

So ist es hier. Die Beklagte verweigert hinsichtlich der Informationsblätter zu Recht die Erteilung der geforderten Auskunft. Das Auskunftsersuchen ist als rechtsmissbräuchlich zu werten, da ihm offenkundig weder eine datenschutzrechtliche noch anderweitige legitime Zielsetzung zugrunde liegt. Dem Kläger liegen nach seinem eigenen Vortrag die gegnerischen Begründungsschreiben vor, so dass er sie zu dem von ihm mit seiner Klage verfolgten Zweck - der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen - nicht benötigt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Kenntnis der Klagepartei von den Unterlagen, auf welche sich der geltend gemachte Anspruch bezieht, für sich genommen den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht ausschließt, da dieser dem Betroffenen eine Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Datenverarbeitung, etwa eine Prüfung der Richtigkeit der Daten, ermöglichen soll (BGH, Urteil vom 15.06.2021 aaO Rn. 25 m.w.N.). Eine derartige datenschutzrechtliche Zielsetzung verfolgt der Kläger mit seinem streitgegenständlichen Auskunftsantrag indes nicht. Insbesondere richtet sich sein Begehren gerade nicht auf eine Auskunft darüber, ob die Beklagte die in den ihm bekannten Schreiben enthaltenen Informationen aktuell verarbeitet, insbesondere speichert (vgl. BGH aaO); vielmehr geht sein Begehren allein dahin, Auskunft über den Inhalt dieser ihm bereits vorliegenden Schreiben zu erhalten."

Das OLG Karlsruhe liegt damit auf einer Linie mit dem Bundesverwaltungsgericht, welches im Urteil vom 30.11.2022 einen Anspruch auf Erhalt einer kostenlosen ersten Kopie von Unterlagen mit personenbezogenen Daten des Betroffenen bejahte.

Warten auf den EuGH wohl vergebens

Bereits mit Beschluss vom 29.03.2022 hatte der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum Auskunftsanspruch vorgelegt, wenn die Auskunft zu Zwecken verlangt wird, die keinen datenschutzrechtlichen Hintergrund haben. Die Kernfrage des BGH lautete dabei:

Ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass der Verantwortliche (hier: der behandelnde Arzt) nicht verpflichtet ist, dem Betroffenen (hier: dem Patienten) eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen - datenschutzfremden, aber legitimen - Zweck (hier: die Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche) verfolgt?

Bis heute lässt sich allerdings kein solches Verfahren in der Verfahrensdatenbank des EuGH recherchieren, so dass wohl eine Entscheidung des EuGH von einer der Parteien des Rechtsstreits am BGH verhindert wurde. Zum Beispiel könnte der Beklagte die Klageansprüche anerkannt haben, so dass sich die Beantwortung der Frage erledigt hätte.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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