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Seit dem 1. April 2024 wurde der Besitz von Cannabis nach langer politischen Diskussion unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland für Erwachsene entkriminalisiert. Mit dieser komplett neuen Drogenpolitik für Cannabis-Konsumenten gehen auch zahlreiche Neuerungen im Bußgeldverfahren und Fahrerlaubnisrecht einher.
Trotz der Teillegalisierung soll das Fahren unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr eine Ordnungswidrigkeit bleiben. Ordnungswidrig handelt nach § 24a II StVG, wer unter der Wirkung eines berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Der bisherige Grenzwert von 1,0 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum, der sich in der Rechtsprechung durchgesetzt hatte, erschien zu gering, da er die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bei diesem Wert noch nicht gesichert vorliegt. Bei diesem Grenzwert mussten selbst Verkehrsteilnehmer, deren Cannabis-Konsum bereits länger zurückliegt und die sich nicht im berauschten Zustand ans Steuer setzen, mit empfindlichen Sanktionen rechnen. Das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr soll regelmäßig erst ab 3,5 Nanogramm nicht mehr gewährleistet sein. Dies hat eine Expertenkommission vorgeschlagen. Dieser empfohlene Grenzwert wurde inzwischen beschlossen. Der durch das "Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" neu eingefügte § 24a Abs. 1a StVG soll ab voraussichtlich Juli vor diesem Hintergrund folgendermaßen lauten: „Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vorhandensein der Substanz Tetrahydrocannabinol im Blutserum aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“
Für den Betroffenen ist die bußgeldrechtliche Relevanz nach § 24a II StVG jedoch oft nur das geringere Übel, so folgte bislang in der Regel im Anschluss noch ein verwaltungsrechtliches Nachspiel. Hier drohten gravierendere Folgen. Die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis, sofern sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Was den Cannabiskonsum anbelangt, so galt der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen ungeeignet, wenn er regelmäßig Cannabis einnehmen. Die liberalere neue Drogenpolitik passt nicht zum bisherigen Verständnis, dass Drogenkonsumenten regelmäßig einen charakterlichen Mangel aufweisen. Bekanntlich stellte bislang der Cannabiskonsum auch ohne konkreten Zusammenhang mit dem Straßenverkehr die Fahrtauglichkeit automatisch in Frage.
Der bisherigen Unterteilung in gelegentlichen und regelmäßigen Cannabiskonsum steht nun entgegen, dass der Konsum von Cannabis freigegeben ist, also auch nicht mehr zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen darf.
Die neue Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 FeV schafft nun den Begriff des Missbrauchs. Hier soll die Eignung nicht mehr gegeben sein. Erst nach Beendigung des Missbrauchs kann die Eignung gegeben sein, wenn die Änderung des Cannabiskonsumverhaltens gefestigt ist, vgl. Ziffer 9.2.2. Auch bei einer Abhängigkeit sei die Eignung zu verneinen, Ziffer 9.2.3.
Besonders praxisrelevant ist derzeit die Frage, wie sich die neue Rechtslage auf laufende oder bereits abgeschlossene Eignungsverfahren auswirkt, also wenn die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet hat, da der Betroffene z.B. von der Polizei zuvor bei einer Drogenfahrt mit Cannabis mit beispielsweise 3 ng/ml im Blut angetroffen wurde. Nach damaligen Maßstäben hat er damals jedenfalls gelegentlich Cannabis konsumiert. Voraussichtlich wird die Führerscheinstelle nach aktuellem Recht in diesem Fall nicht mehr auf Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen, da dieser Wert unter dem neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml liegt. Laufende verwaltungsrechtliche Akten auf Überprüfung der Fahrtauglichkeit wegen vorangegangenen Cannabiskonsums dürften vor diesem Hintergrund oftmals geschlossen werden mit dem Ergebnis, dass der Betroffene den Führerschein behält.
Auch wird sich vermehrt die Frage stellen, ob die Fahrerlaubnis nun neu beantragt werden kann, ohne dass noch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert wird. Oftmals dürfte der Führerschein ohne große Komplikationen und ohne Gutachtenanforderung wiedererteilt werden. Dies betrifft jedenfalls die Fälle, in denen Betroffene nicht wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen haben.
Vieles ist hierzu noch ungeklärt, Gerichtsentscheidungen liegen derzeit zur neuen Rechtslage und zur Auslegung der neuen Regelungen in der Fahreignungsverordnung noch nicht vor. Daher sollte bei Problemen in diesem Zusammenhang unbedingt die Hilfe eines verkehrsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden.
[1] Bundesdrogenbeauftragter zur Cannabis-Legalisierung »Genuss- und Rauschmittel gehören zur Gesellschaft dazu« v. 19.03.2022, https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/cannabis-legalisierung-genuss-und-rauschmittel-gehoeren-zur-gesellschaft-dazu-a-b27d12d7-5fd4-4ab3-bbc1-084be900c42a
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