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Sonntag, 01.03.2015

Kommentar zu BVerwG: Rückforderungen von Zuwendungen ist bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur öffentlicher Ausschreibung der Regelfall



von
Oliver Weihrauch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Vergaberecht

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Aus den Gründen:

Das Land Nordrhein-Westfahlen hat einer kommunalen Stadtwerke AG einen Zuschuss i. H. v. 1.065.000,00 DM zur Errichtung einer Fernwärme-Übernahmestation mit Transportleitung als 15%-ige Anteilsfinanzierung der Gesamtausgaben von 7,1 Millionen DM bewilligt. Der Zuwendungsbescheid enthält in den allgemeinen Nebenbestimmungen die  Verpflichtung, für die Vergabe von Aufträgen die VOB/A bzw. VOL/A zu beachten. Zur Durchführung werden insgesamt 16 Aufträge vergeben. In 12 Fällen fand ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb mit anschließender Beschränkter Ausschreibung statt. In den übrigen 4 Fällen wurde ausgewählten Firmen ein Leistungsverzeichnis zugeschickt mit der Bitte, ein Angebot abzugeben. Nach Abgabe der Angebote fanden durchweg Verhandlungen zur Reduzierung der Angebotssumme statt. Die Aufträge wurden jeweils an den danach verbleibenden günstigsten Anbieter vergeben. In der Folgezeit kam es zu einem Teilwiderruf des Zuwendungsbescheides und damit einer Rückforderung i. H. v. 362.403,69 €. Der Widerruf wurde damit begründet, dass die Stadtwerke AG die Aufträge für die bezuschusste Einrichtung teilweise unter Verletzung der Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung vergeben hat.   Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierzu fest, dass die öffentliche Ausschreibung die Regelvergabeart ist, von der abzuweichen besondere Sachgründe erfordert. Ihr Vorrang vor anderen Vergabearten verfolgt den Zweck, einen möglichst breiten und transparenten Wettbewerb zu schaffen und damit sicherzustellen, dass der im Sinne der Ausschreibung günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Ausgehend davon liegt es nahe, einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Vergabeart wegen der damit regelmäßig verbundenen Gefährdung der genannten Haushaltsgrundsätze im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen. Dies rechtfertigt einen Widerruf des Zuwendungsbescheides und damit eine Rückforderung der Zuwendungen.

Kommentierung

Das Bundesverwaltungsgericht schafft hiermit letztinstanzlich Klarheit über den Regelfall. Wenn der Zuwendungsempfänger die Aufträge nicht öffentlich ausschreibt, ist er hierfür begründungspflichtig. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein Abweichen von der öffentlichen Ausschreibung dazu führt, dass der Auftrag nicht nach Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen vergeben wird. Das Bundesverwaltungsgericht stellt aber auch klar, dass es sich hierbei um eine Regelannahme handelt, die den Zuwendungsgeber nicht davon entbindet, alle Einzelumstände zu würdigen. Im Ausnahmefall kann somit von einer Rückforderung teilweise abgesehen werden.

Das Vergaberecht hat vielfach mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass seine Regelungen zu starr und kompliziert sind (teilweise stimmt dies auch) und das die fehlende Möglichkeit Verhandlungen mit den Bietern zu führen dazu führt, dass nicht der günstigste Preis erreicht werden kann. Dem steht ein Sonderbericht des Bundesrechnungshofes vom 09.02.2012 entgegen, der sich mit den Auswirkungen der Vergabeerleichterungen des Konjunkturpaktes II auf die Beschaffung von Bauleistungen und freiberuflichen Leistungen bei Bauvorhaben des Bundes beschäftigt. Untersucht wurden 16 000 Vergabeverfahren. Der Bundesrechnungshof kommt zu dem Ergebnis, dass „die mit den Vergabeerleichterungen verfolgten Ziele im Wesentlichen nicht erreicht wurden. Stattdessen mussten deutliche Nachteile beim Wettbewerb und bei der Wirtschaftlichkeit, sowie eine erhöhte Korruptions- und Manipulationsgefahr in Kauf genommen werden“. Der erhöhte Anteil nicht öffentlicher Verfahren (Beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) zu Lasten des Anteils öffentlicher Ausschreibung hat es weniger Unternehmen als zuvor ermöglicht am Wettbewerb teilzunehmen. Im Vergleich zu den Vorjahren ging die Zahl der Angebote in Folge der Vergabeerleichterungen im Hochbau um 12 % und im Wasserstraßenbau um 15 % zurück. Bei öffentlichen Ausschreibungen wurden mehr als doppelt so viele Angebote eingereicht, wie bei beschränkten Ausschreibungen und fast dreimal so viel Angebote wie bei freihändigen Vergaben. Auch wurde festgestellt, dass die öffentliche Ausschreibung die Vergabeart mit den wirtschaftlichsten Ergebnissen ist. Die nicht öffentlichen Vergabearten haben nach den Auswertungen des Bundesrechnungshofes im Durchschnitt Mehrausgaben von bis zu 13 % zur Folge gehabt. Alleine im Hochbau sollen sich die Mehrausgaben des Bundes im Berichtszeitraum auf 50-70 Millionen Euro belaufen. Diese Ergebnisse rechtfertigen voll und ganz die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Regelvermutung.

Alle Ingenieurbüros, die öffentliche Auftraggeber beraten und dabei in die Verlegenheit kommen, eine Empfehlung zur Wahl der Vergabeart auszusprechen, müssen zukünftig noch mehr Sorgfalt walten lassen. Will man sich auf den Ausnahmefall berufen, dass keine öffentliche Ausschreibung erforderlich ist, muss dieses ausführlich und mit guten Gründen begründet werden. Andernfalls können erhebliche Haftungen auf die Berater zukommen.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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