Rechtsanwalt Dr. jur. Dirk Lindloff, Rechtsberater in Koblenz
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Mittwoch, 03.08.2011

Pflichten des Archivierungsdienstleisters bei Vertragsende



von
Dr. jur. Dirk Lindloff
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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Ein Archivierungsdienstleister, er sei X genannt, hatte es übernommen, die gesamten Rechnungen und Lieferscheine eines Unternehmens, nennen wir es Y, revisionssicher zu scannen und zu archivieren. Die Originale sollte er anschließend vernichten. Y konnte während der Vertragslaufzeit per Fernzugang und spezieller Software auf das Archiv zugreifen. Dabei war ein Durchsuchen des Datenbestandes komfortabel möglich. Nach einigen Jahren verstanden sich X und Y nicht mehr und es kam zur Vertragsauflösung.

X stellte nun der Y eine WORM zur Verfügung. Hierauf sollten die Daten sein. Y bemühte sich, fand jedoch schon keinen EDV-Dienstleister der diese spezielle WORM überhaupt lesen konnte. Es stellte sich später heraus, dass es sich um ein Spezialmedium (wohl eine spezielle MO) handelte. An dieser Stelle begeht das OLG seinen ersten Fehler. Es lässt sich von dem schillernden Begriff WORM blenden und glaubt, es handele sich um ein speziell festgelegtes Medium. Dabei steht WORM nur für Write Once Read Multiple - was auch eine CD-R, DVD-R u.ä. erfüllt.

Der gerichtliche Sachverständige musste also auch mit dem Datenträger zu X fahren, um überhaupt festzustellen, was auf der Disk denn nun drauf ist. Es stellte sich heraus, dass es keinerlei Dateisystem oder Dateiindex gab. Alle gescannten Daten waren fortlaufend auf die Disk geschrieben. Mit Spezialkenntnissen über den Aufbau von Dateiheadern des PDF-Formats konnte man mit dem HEX-Editor auf dem Medium herausfinden, wo eine PDF-Datei begann und endete. Man musste also schon Spezialist im PDF-Format sei und zudem über ein mehrere tausend Euro teures Speziallaufwerk verfügen, um von dieser "WORM" etwas lesen zu können.

Trotzdem kam das OLG Hamm zu dem überraschenden Ergebnis, dass X seinen Pflichten genüge getan habe. X hatte nämlich AGB verwendet - der bloße Hinweis auf die Existenz bei Vertragsschluss reicht idR. bekanntlich - und darin war die Herausgabe auf "WORM" ohne Mitlieferung von Software geregelt gewesen:

„1. Bei Vertragsende ist X verpflichtet, dem Kunden einen Satz der auf dem Server gespeicherten Daten unverzüglich auf Datenträgern (WORM) herauszugeben. Zusätzlich kann der Kunde gegen Entgelt die Daten in einem gängigen Format auf Datenträgern (CD-ROM oder WORM) erhalten.

2. X ist nicht verpflichtet, nach Vertragsende Archivierungs- oder andere Software zur Verfügung zu stellen."

Diese AGB hält das OLG Hamm für wirksam - obwohl man den AGB kaum vorab entnehmen konnte, nachher einen exotischen Datenträger ohne Dateisystem zu erhalten. Das OLG Hamm betonte im Urteil, dass Y nicht erwarten könne, die Vertragsleistungen nach Vertragsende kostenlos zu erhalten. Es übersieht, dass das Vertragsentgelt sicherlich vor allem für das arbeitsintensive Abholen und Einscannen gezahlt wird, aber nicht für die Bereithaltung der Suchmöglichkeiten. Es verwundert sehr, dass Y nicht einmal Anspruch auf ein Dateisystem haben soll, nur weil man mit einem HEX-Editor irgendwie Daten aus dem Datenträger herauslesen kann.

Das OLG Hamm zieht hier eine Parallele zu einem Hausverwalter, der auch nur die Herausgabe der gesammelten Unterlagen schulde. Dieser Vergleich überzeugt nicht, denn es erscheint schon fraglich, ob der Hausverwalter tatsächlich durch Übergabe von ca. 200.000 ungeordneten Dokumenten seiner Pflicht nachkommen kann. Zudem ist bei der Herausgabe von Papierdokumenten jedermann selbst in der Lage, hierin etwas zu suchen und zu finden. Bei der hier fraglichen "WORM" waren mehrere IT-Dienstleister nicht in der Lage, überhaupt ein Laufwerk zu beschaffen, um die Daten zu lesen und dann bedurfte es auch noch Spezialkenntnissen. Gerichte sollten also nicht immer vereinfachte Vergleiche anstellen, um technische Sachverhalte einzuordnen.

Jedem, der für die Archivierung von Papierunterlagen ein Outsourcing-Unternehmen nutzt, kann man in Anbetracht der Entscheidung nur raten, schon vor Vertragsschluss genau festzulegen, in welcher lesbaren Form man die Daten bei Vertragsende zurück erhält. Auf die Hilfe der Rechtsprechung ist jedenfalls kein Verlass.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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