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Dienstag, 28.04.2020

Strengere Regeln für Geschwindigkeitsüberschreitungen im Bußgeldkatalog



von
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Neue Regelungen in Kraft getreten

Am 28.4.2020 ist die StVO-Novelle 2020 in Kraft getreten. Besonders relevant für die Verkehrsteilnehmer sind insbesondere die Verschärfungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Weitgehend unbemerkt in der öffentlichen Diskussion können insbesondere Fahrverbote schon bei vormals vergleichsweise geringen Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet werden. In den Medien wurde in erster Linie über die in der Novelle vorgesehene Anhebung der Geldbußen für das Parken in zweiter Reihe oder fehlender Rettungsgasse und den verbesserten Schutz für Radfahrer berichtet. Mit den einschneidenden Maßnahmen will der Gesetzgeber der durch überhöhte Geschwindigkeit tatsächlich geschaffenen Gefahr adäquat begegnen. Ein generelles Tempo-Limit von 130 km/h auf der Autobahn wurde dagegen vom Bundesrat abgelehnt.

Änderungen im Einzelnen

Schon ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Pkw innerorts von 21 km/h wird neuerdings ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet (neben einer Geldbuße von 80 EUR und einem Punkt). Als Paukenschlag ist es zu bezeichnen, dass außerorts nun schon ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h (zuvor 41 km/h) ein Fahrverbot anfällt (Geldbuße 80 EUR und einem Punkt). Zuvor gab es hierfür nur einen Punkt und eine Geldbuße von 80 EUR ohne Fahrverbot. In 30er Zonen führt damit ab heute schon eine gefahrene Geschwindigkeit von 51 km/h dazu, dass ein Regelfahrverbot verhängt wird, eine gefahrene Geschwindigkeit von 31 km/h führt in einer verkehrsberuhigten Zone bereits zum Fahrverbot.[1]

Die Regelung, wonach innerhalb eines Jahres bei erneuter Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h ein Fahrverbot für Wiederholungstäter droht, entfällt dagegen, zumal bei dieser Geschwindigkeitsüberschreitung bei einem Erstverstoß bereits ein Fahrverbot angeordnet wird. Bei den längeren Fahrverboten ändert sich nichts. Das zweimonatige Fahrverbot erfolgt außerorts unverändert ab 61 überzähligen km/h, innerorts ab einer Übertretung von 51 km/h. Ein dreimonatiges Fahrverbot wird außerorts ab 71 km/h oberhalb des Höchsttempos ausgesprochen, innerorts ab 61 km/h.

Erhöhte Geldbußen

Ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 16 km/h fällt neuerdings innerorts eine Geldbuße von 70 EUR an, womit die Geldbuße verdoppelt wurde, außerorts wurde die Geldbuße auf 60 EUR heraufgesetzt. Punkte fallen erst ab 21 km/h zu schnell an, wie bisher. Obwohl die Geldbußen bei 16-20 km/h zu viel bei 60 EUR und mehr liegen, fällt neuerdings kein Punkt in Flensburg an, was ein Systembruch darstellt. 

Punktegrenze 

Die Punktegrenze bleibt nach der Novelle gleich, also gibt es weiterhin ab 21 km/h zu schnell innerorts und außerorts einen Punkt, ab 31 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts und 41 km/h außerorts fallen zwei Punkte an.

Anlass der Verschärfungen 

Hieran ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber nunmehr Ernst gegen Temposünder macht. Man fragt sich natürlich, was den Gesetzgeber dazu bewogen hat, die Sanktionen derart zu erhöhen, gerade in Zeiten einer (erfreulicherweise) sinkenden Anzahl von Verkehrstoten. Dazu heißt es nur:

„Das bestehende Bußgeldniveau ist insgesamt zu niedrig, um die notwendigen Verbesserungen bei der Verkehrssicherheit zu erreichen. Höhere Bußgeldsätze führen zu mehr regelkonformen Verhalten und sind insofern geeignet, Unfälle mit Verletzten und Toten zu vermeiden.“

Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit sei bei Geschwindigkeitsüberschreitungen die Anhebung der Regelsätze geboten, um bei den Verkehrsteilnehmenden das notwendige Bewusstsein für die Gefährlichkeit ihres Fehlverhaltens zu schaffen. Zudem sei die Anordnung von Fahrverboten innerhalb geschlossener Ortschaften einheitlich bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h geboten, um die notwendige Lenkungswirkung entfalten zu können.[2]

Kritik

Automobilclubs kritisieren zu Recht, dass Tempoverstöße von schweren Lkw, Motorrädern und Pkw erstmals gleichbehandelt würden. Diese Fahrzeugklassen hätten aber ganz unterschiedliche Gefahrenpotenziale.[1] Offenbar sollen angesichts der erheblichen Sanktionen mehr Menschen dazu ermutigt werden, auf das Autofahrten zu verzichten. Der neuen Staffelung der Geldbußen fehlt auch die Verhältnismäßigkeit: eine Überschreitung bis 15 km/h wäre noch ein geringfügiger Verstoß im Verwarnungsgeldbereich, schon bei 6 km/h mehr, also 21 km/h, liegt künftig ein grober Verkehrsverstoß mit Fahrverbot vor. Teilweise werden die bestehenden Regeln für völlig ausreichend empfunden und gefordert, nur die Kontrolldichte der Polizei zu erhöhen. Letztere lässt sich aber aus personellen Gründen wohl nicht ohne weiteres erhöhen. Dass bei Fahrverboten nun nicht mehr stets zwei Punkte anfallen, erscheint im Übrigen systematisch zweifelhaft.

Folgen der neuen Vorschriften

Es ist zu erwarten, dass auf die Amtsgerichte künftig eine spürbare Mehrbelastung insbesondere mit Bußgeldverfahren mit Fahrverboten zukommen wird. Die abzusehende zunehmende Anzahl von Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide insbesondere mit Fahrverboten und demzufolge Zunahme an Gerichtsverfahren kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, bedenkt man, dass bis auf Weiteres in nicht eiligen Verfahren derzeit wegen der Corona-Pandemie kaum Verhandlungen von Amtsgerichten durchgeführt werden und sich dadurch selbst bei baldiger Normalisierung der Zustände ein enormer Aktenstau ergibt. Es bleibt abzuwarten, wie die Amtsgerichte dieser Flut neuer Verfahren bewältigen wollen.

Nachweise:

[1] Zur Schrittgeschwindigkeit: OLG Hamm: NJW 2020, 351.
[2] BR Drucksache 591/19, S. 31 f.
[3] a.a.O.
[4] www.adac.de v. 19.2.20 („Neue Straßenverkehrsordnung: Bundesrat stimmt zu“).

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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