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Rechtsanwalt Dr. jur. Christian Cloos, Rechtsberater in Koblenz
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Dienstag, 25.02.2025

Die urheberrechtlichen Gefahren von Hintergrundmusik in Foyers und Wartebereichen



von
Dr. jur. Christian Cloos
Rechtsanwalt

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Die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Foyers und Wartebereichen erscheint auf den ersten Blick als bloße Ergänzung eines einladenden Ambientes. Gleichwohl sollten die damit verbundenen urheberrechtlichen Bestimmungen keinesfalls unterschätzt werden, da bereits geringfügige Verstöße kostspielige rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Insbesondere die Frage nach der erforderlichen Lizenzierung, die Einbindung von Verwertungsgesellschaften sowie die Ausgestaltung von Nutzungsrechten bilden zentrale Aspekte, die es zu beachten gilt. Ziel dieses Beitrages ist es, einen Einblick in die zentralen rechtlichen Vorgaben zu liefern und für die damit verbundenen Risiken zu sensibilisieren. Dabei soll zugleich in die Gedankenwelt der deutschen wie auch europäischen Gerichtspraxis eingetaucht werden, die hier für die juristische Entscheidungsfindung maßgeblich ist.

Die urheberrechtliche Einordnung von Hintergrundmusik

Die Frage nach der urheberrechtlichen Relevanz von Hintergrundmusik hat eine gewisse Historie. Selbst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist hier uneinheitlich, was nicht zuletzt die anwaltliche Beratungspraxis in diesem Bereich erschwert. Dies ist bemerkenswert, denn das deutsche Urheberrecht sieht in § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG einen Schutz (auch) von Musikwerken umfänglich vor. Dies entspricht auch den Vorgaben des europäischen Urheberrechts. Dennoch sorgt die Auslegung des EuGH für erhebliche Diskussionen (selbst) unter Urheberrechtsexperten.

Insbesondere die Frage, ob für die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Wartebereichen oder Foyers GEMA-Lizenzen erforderlich sind, ist nicht allgemeingültig zu beantworten. Dies betrifft speziell Einrichtungen wie Steuerbüros, Kanzleien oder Unternehmen, für die keine klar definierte Gerichtspraxis existiert.

Prägende EuGH-Rechtsprechung und deren Auswirkungen

Ein oft zitiertes Urteil des EuGH aus dem Jahre 2012 behandelte Hintergrundmusik in einer Zahnarztpraxis. Der EuGH entschied, dass das Verbreiten von Tonträgern in der Zahnarztpraxis in Anwesenheit von Patienten, die unabhängig von ihrem eigenen Willen in den „Genuss“ von solchen Tonwiedergaben kommen, nicht unter das urheberrechtliche Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe falle (EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – C-135/10, SGF). Grund für den EuGH war dabei vor allem, dass die Patienten in einer Zahnarztpraxis nicht „aufnahmebereit“ für die Musik seien. Nach der Vorstellung des EuGH erreichte die Musik die Patienten allenfalls am Rande bzw. (eher) „zufällig“, und zwar ohne dass dies in dieser Situation gewollt sei. Diese Begründung überraschte ebenso wie das Ergebnis. Damit hatte kaum jemand gerechnet. Ein Kriterium der „fehlenden Aufnahmebereitschaft“ kannte bis dato im Grunde niemand.

Umso größer war die Freude bei den Zahnärzten, die sich fortan ihre GEMA-Gebühren sparen konnten. Die Musikwiedergabe (zumindest) in Zahnarztpraxen war plötzlich urheberrechtlich unbeachtlich – mit der Folge, dass die laufenden GEMA-Verträge außerordentlich gekündigt werden konnten. Später bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) diese Entscheidung (Urteil vom 18.06.2015 – I ZR 14/14), wodurch diese Praxis abgesichert wurde.

Doch gilt Entsprechendes auch für Foyers und andere Wartebereiche? Diese Frage bleibt schwierig zu beantworten.

Gerichtspraxis zu anderen Wartebereichen

Das Amtsgericht Frankfurt am Main entschied im Jahre 2022 über Hintergrundmusik in dem Wartebereich eines Pizzalieferservices (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.12.2022 – 32 C 1565/22). Das Gericht bezweifelte, dass die Wiedergabe „öffentlich“ sei, da sich die Anzahl der Selbstabholer in dem betreffenden Lokal auf ca. 10 Personen pro Tag beschränkte. "Öffentlichkeit" bezeichne hingegen "recht viele Personen" bzw. "zielmlich viele Personen" - wiederum Formulierungen aus der Rechtsprechung des EuGH, die Interpretationsspielraum lassen. Zudem verwies das Amtsgericht Frankfurt am Main auf das EuGH-Urteil von 2012, denn die Kunden eines Pizzalieferservices seien ebenso wenig „aufnahmebereit“ wie die Patienten einer Zahnarztpraxis:

„Darüber hinaus setzt […] der Begriff der öffentlichen Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, und dass das Publikum in der einen oder anderen Weise für die Wiedergabe der Aufnahme bereit ist und nicht bloß zufällig erreicht wird; daran soll es etwa bei der Wiedergabe von Musik im Wartezimmer eines Zahnarztes fehlen […]. Es ist nicht einsichtig, warum das Publikum, das auf eine Zahnbehandlung wartet, […] grundsätzlich anders zu bewerten sein soll als die Kundschaft, die auf Pizza wartet. Die jeweilige Vorfreude mag unterschiedlich ausgeprägt sein; im einen wie im anderen Fall werden die Wartenden aber ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft sozusagen zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht.“

Übertragbarkeit auf Foyers und ähnliche Bereiche

Nach Einschätzung des Verfassers lassen sich diese Urteile auch auf andere Wartebereiche oder Foyers übertragen. Dies gilt vor allem, wenn:

  • Der Bereich nur von wenigen außenstehenden Personen täglich aufgesucht wird,
  • der Aufenthalt kurzzeitig ist,
  • der Besuch nicht dem Musikkonsum dient, sondern zu anderen Zwecken erfolgt, und
  • die Musik keine tätigkeitsbegleitende Funktion hat, wie etwa in Reha-Einrichtungen, was der EuGH einschränkend klargestellt hat (s. dazu EuGH, Urteil vom 31.05.2016 – C-117/15 – Reha Training/GEMA).

Diese Kriterien dürften viele Wartebereiche in Steuerbüros, Anwaltskanzleien, Unternehmen und Einrichtungen erfüllen. Dennoch bleibt unklar, wie viele Personen als „recht viele“ bzw. "ziemlich viele" gelten. Sind dies 20, 50, 100 oder mehr? Dazu finden sich in der Rechtsprechung (leider) keine eindeutigen Antworten – ebenso wenig dazu, wie sich dies gerade zum Kriterium der „fehlenden Aufnahmebereitschaft“ verhält.

Insoweit lässt einen der EuGH (leider) fragend zurück.

Neuere Entwicklungen und weitere Unsicherheiten

Jüngere Entscheidungen des EuGH zu Hintergrundmusik in Flugzeugen und Zügen (s. dazu EuGH, Urteil vom 20.04.2023 – C-775/21, C-826/21, Blue Air) könnten eine gegenteilige Tendenz andeuten. Dort entschied der EuGH nun komplett anders und stellt das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe bei den Reisenden nicht in Zweifel. Nach dem EuGH handelt es sich im Falle von Hintergrundmusik in Passagierflugzeugen und Zügen um GEMA-pflichtige urheberrechtliche Nutzungen. Dass (auch) Reisenden – meist mit eigenen Kopfhörern ausgerüstet oder auch (nur) starr vor sich hinträumend – die „Aufnahmebereitschaft“ fehlen könnte, wird hier vom EuGH an keiner Stelle diskutiert oder auch nur angedeutet.

Zugegebenermaßen hat die im Rahmen von öffentlichen Personenbeförderungen (Flugzeug, Züge und Busse) von der Musik erreichte Anzahl an Personen signifikant höhere Dimensionen als in Foyers oder Wartebereichen von Arztpraxen oder Anwaltskanzleien. Daher könnte das zitierte Urteil des EuGH aus dem Jahre 2012 weiterhin Bestand haben. Jedoch vermögen sich auch Patienten oder Mandanten, die sich in Warteräumen oder Foyers aufhalten und auf ihre Termine warten, dem „Musikgenuss“ im Hintergrund ebenso wenig zu entziehen wie der Zug-, Bus- oder Flugreisende. Ebenso erfüllt die Musik in beiden Fällen keine tätigkeitsbegleitende Rolle (anders als bei bestimmten Therapieformen oder Entspannungsmassagen) und erreicht die Personen „zufällig“.

Hier ist bis heute (leider) völlig unklar, wo die jeweiligen Grenzen zu ziehen sind.

Fazit: Einzelfallprüfung erforderlich

Die Frage nach der urheberrechtlichen Relevanz von Hintergrundmusik ist komplex und lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Unternehmen sollten sich hier den potenziellen Risiken bewusst sein und gegebenenfalls anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, um ihre spezifische Situation zu klären.

Die anwaltliche Beratungspraxis gestaltet sich dabei einzelfallabhängig und erfordert eine besonders sorgfältige Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung.

Wer rechtliche Konflikte mit der GEMA vermeiden möchte, sollte frühzeitig prüfen lassen, ob eine Lizenz erforderlich ist oder die Nutzung von Musik urheberrechtlich unbedenklich ist.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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