Maltesische Torpedo
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Rechtsanwalt Dr. jur. Markus Peter
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Der „Maltesische Torpedo“ –
Gefahr für deutsche Unternehmen
durch ausländische einstweilige
Verfügungen?*
von Rechtsanwalt Dr. Markus
Peter, Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht - Stand
04/2017
Auf hart umkämpften Märkten ist es wie im
Sport; im Kampf um den Ball wird schon mal
ambitioniert gegrätscht, und letztlich muss
der (Schieds-)Richter entscheiden, ob ein
Tackling unter „internationale Härte“ fällt
und einfach nur engagiert und geschickt
gekämpft wurde, oder ob es Foulspiel war und
Freistoß gibt. Doch was tun, wenn der
Schiedsrichter „weiterspielen“ anzeigt, aber
ein zweiter Schiedsrichter auf den Platz
läuft und auf Elfmeter entscheidet? Gibt es
nicht? Wie man´s nimmt.
Im Wettbewerb haben die Konkurrenten im
erlaubten und gewollten Kampf um
Marktanteile gewisse Regeln zu beachten,
anderenfalls wird der sich in seinen
(Wettbewerbs-)Rechten verletzt fühlende
Marktteilnehmer abmahnen und ggf. eine
einstweilige Verfügung bei Gericht
beantragen. So weit, so üblich. Gerade im
grenzüberschreitenden Geschäft greift die
Gegenseite einer (drohenden)
Verletzungsklage aber mitunter gern zu dem
so genannten „italienischen Torpedo“: Klage
vor einem (ggf. auch unzuständigen) Gericht
eines anderen EU-Mitgliedstaates, dessen
Justiz dafür bekannt ist, vom Rechtsuchenden
bis zu einer Entscheidung sehr viel Geduld
abzuverlangen, mit dem Antrag auf
Feststellung, dass keine
wettbewerbsrechtliche Verletzung vorliegt.
Das deutsche Gericht hätte sich dann als das
später angerufene Gericht wegen
anderweitiger Rechtshängigkeit für
unzuständig zu erklären.
Dies ist nicht neu, im Wettbewerbsrecht
schon eher ein „Ladenhüter“ vergangener
Jahre. Aber der prozessuale Torpedo droht
nun mit entgegengesetztem Vorzeichen eine
Renaissance zu erleben.
Ein Konkurrent stört sich an der Werbung
Ihres Unternehmens oder Ihr Auftreten auf
einer Messe und beantragt ein Verbot über
eine einstweilige Verfügung. Die Sache ist
für das deutsche Gericht nicht so klar, es
erlässt nicht sofort die Verfügung, sondern
anberaumt einen Termin zur mündlichen
Verhandlung. Doch während Sie sich auf die
mündliche Verhandlung vorbereiten, flattert
eine einstweilige Verfügung ins Haus, in
unserem Beispielsfall maltesischer Herkunft
mit entsprechender Übersetzung. Aber in drei
Tagen ist doch Verhandlung beim LG Koblenz
oder LG Düsseldorf; ignoriert man die
maltesische Post deshalb? Besser nicht!
Gemäß Art. 7 Nr. 2 der Brüssel
Ia-Verordnung (EU-VO Nr. 1215/2012 vom
12.12.12, die gem. Art. 80 die VO 44/2001
„Brüssel I“ ablöst) kann eine Person (auch
juristische Person) eines Mitgliedstaates
etwa dann vor den Gerichten eines anderen
Mitgliedstaates in Anspruch zu nehmen, wenn
eine unerlaubte Handlung Gegenstand des
Verfahrens ist und das schädigende Ereignis
am Ort dieses (anderen) Mitgliedsstaates
einzutreten droht.
Beim internationalen Handel mit
Auswirkungen auf den Wettbewerb in anderen
Mitgliedsstaaten ist so schnell eine
Zuständigkeit geschaffen, die einen
Gerichtsstand im Ausland begründet. Dieser
„Maltesische Torpedo“, der sich etwa der
relativ einfach zu erwirkenden interlocutory
decree oder garnishee order im Maltesischen
Recht (Art. 267, 273 Code of Organization
and Civil Procedure) bedient, ist also nicht
der alte „Trick“ mit dem unzuständigen
Gericht, der wegen Rechtsmissbrauch für das
deutsche Gericht unbeachtlich sein kann
(vgl. LG Hamburg, Urteil v. 18.09.2015 – 208
O 143/14), sondern eine reelle Möglichkeit,
den Mitbewerber auszubremsen. In diesem Fall
hat der Antragsteller, dem die Entscheidung
des deutschen Landgerichts nicht behagt hat,
sich in einem anderen Mitgliedstaat eine
wunschgemäße Entscheidung geholt.
Doch was kann jetzt getan werden?
Hier ist grundsätzlich bereits etwas
falsch gelaufen, weil das maltesische
Gericht sich wegen vorrangiger
Rechtshängigkeit beim deutschen Gericht für
unzuständig hätte erklären müssen; hat es
aber nicht, möglicherweise wegen recht
selektiver Schilderung des Sachverhalts
durch den Gegner. Ist jetzt die Entscheidung
des Gerichts einmal „in der Welt“, so wird
man auf der Klaviatur der „Brüssel-Ia-VO“
auch die Lösung zu finden haben.
Grundsätzlich bedarf eine Entscheidung eines
Gerichts aus einem anderen Mitgliedstaat
nicht der Anerkennung (durch ein deutsches
Gericht), um vollstreckt zu werden.
Nach Art. 45 EU-VO 1215/2012 ist jedoch
die Versagung der Anerkennung des
ausländischen (in unserem Beispiel
Maltesischen) Vollstreckungstitel möglich.
Die Voraussetzungen sind in Art. 45 genannt,
in Betracht kommt hier Art. 45 Abs. 1 lit. c
der Verordnung; danach kann das zur
Vollstreckung in Deutschland ersuchte
Gericht die Vollstreckung versagen, wenn die
Entscheidung unvereinbar mit einer zwischen
denselben Parteien im ersuchten
Mitgliedsstaat (hier: Deutschland)
ergangenen Entscheidung ist.
Die Frage ist also, ob es eine
„Entscheidung“ des deutschen Gerichts gibt,
mit dem die Entscheidung des maltesischen
Gerichts nicht in Einklang zu bringen ist.
Was eine Entscheidung ist, richtet sich nach
der hierdurch bewirkten Rechtsfolge.
(Saenger/Dörner, ZPO 7. Aufl. 2017, Art. 45
EuGVVO, Rn. 23 ff.; Stadler in:
Musielak/Voit, ZPO 14.Aufl. 2017, Art. 45
EuGVVO Rn. 13)
Die Entscheidung des maltesischen
Gerichts ist auf die Regelung der Sache
bezogen, das deutsche Gericht hat aber
lediglich eine Entscheidung prozessualer
Natur getroffen, nämlich die Entscheidung in
der Sache von einer mündlichen Verhandlung
abhängig zu machen. Da die Ausnahme der
Versagung der Vollstreckung eng auszulegen
ist, kommen prinzipiell nur Entscheidungen
in Betracht, die denselben Streitpunkt
zwischen den Parteien entscheiden wie die
ausländische Entscheidung (EuGH NJW 1995, 38
– „Solo Kleinmotoren“). Das deutsche Gericht
hat jedoch (lediglich) eine prozessuale
Entscheidung getroffen, die Entscheidung in
der Sache von der Durchführung und dem
Ergebnis einer mündlichen Verhandlung
abhängig zu machen. Streng genommen wirft
man den Beispielsfall daher nicht als
Möglichkeit nach Art. 45 Abs. 1 lit. c der
Verordnung werden können. Um hier gleichwohl
das deutsche Gericht davon zu überzeugen,
die Vollstreckung zu verwehren, stellt sich
aber die Frage, ob man nicht in der
Entscheidung, nur nach vorhergehender
mündlicher Verhandlung zu entscheiden, nicht
gerade auch die Ablehnung des Begehrs des
Antragstellers sehen muss, wie das
maltesische Gericht ohne mündliche
Verhandlung zu entscheiden, die Verhängung
der gewünschten Maßnahme in Deutschland (dem
ersuchten Vollstreckungsstaat) also
abgelehnt worden ist, was der EuGH
seinerzeit für Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ als
Voraussetzung der Vollstreckungsversagung
angenommen hat (EuGH NJW 2002, 2087 –
„Italian Leather ./. WECO“).
Wie zu sehen ist, wird das deutsche
Unternehmen die einstweilige Verfügung des
Mitgliedstaats jedenfalls sehr ernst zu
nehmen haben und idealerweise die
Möglichkeiten von Vollstreckungshindernissen
in Deutschland fachkundig prüfen lassen und
von dort auch parallel die Unterstützung
durch geeignete Anwälte im anderen
Mitgliedstaat vermitteln lassen, um
fachkundig im internationalen
Wirtschaftsrecht beraten sich gegen ein
solches (zum Beispiel) „maltesisches
Torpedo“ zu Wehr zu setzen.
* Die Ausführungen stellen eine erste Information dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell war. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie
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