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Am 18.11.2024 wurde das „Design-Reformpaket“ der Europäischen Union (EU) veröffentlicht. Damit ist nach einem langjährigen Prozess ein erster wichtiger Schritt zu einer Modernisierung des EU-Designrechts getan worden. Die Änderungen betreffen unterschiedliche Facetten und sind gesetzlich verstreut, was die Orientierung erschwert. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten praktischen Neuerungen.
Die bisherigen geschmacksmusterrechtlichen Bestimmungen der EU wurden vor über 20 Jahren verabschiedet und unterliegen schon länger einer kritischen Überprüfung durch die EU-Kommission. Der Rechtsrahmen war in der Tat ein wenig in die Jahre gekommen und erforderte einige Anpassungen, insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters.
Hier möchten die neue Unionsgeschmacksmusterverordnung und die neue Designrichtlinie ansetzen. Außerdem sollen das Anmeldeverfahren vereinfacht und der Verwaltungsaufwand für das Europäische Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) sowie die nationalen Markenämter reduziert werden. Ziel ist eine zukunftsfähige und effizientere Ausgestaltung des Designschutzes.
Die neue Design-Verordnung (VO Nr. 2024/2822) regelt das ganzheitliche europäische Geschmacksmuster, während die neue Designrichtlinie (RL 2024/2823) Vorgaben für die jeweiligen nationalen Designs vorsieht. Während die Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten gilt, muss die Richtlinie erst noch durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Beide Maßnahmen sollen zur Harmonisierung des Binnenmarkts beitragen und möglichst einheitliche Regelungen schaffen, auf die nicht zuletzt der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten angewiesen ist.
Die Design-Verordnung (VO Nr. 2024/2822) spricht vom „Unionsgeschmacksmuster“ und nicht mehr vom „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“.
Dahinter steht erkennbar eine Anlehnung an die Begriffsbildung der Unionsmarke aus dem Markenrecht. Im Übrigen bleibt aber es bei dem veralteten Begriff des „Geschmacksmusters“, der noch aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert stammt. Eine vorherige deutsche Sprachfassung der Verordnung war hier noch vom „Unionsdesign“ausgegangen, was dann in der endgültigen Fassung merkwürdigerweise wieder vom Unionsgeschmacksmuster abgelöst wurde.
Die Design-Richtlinie (RL 2024/2823) ist an der Stelle progressiver - sie legt den in der heutigen Sprachpraxis längst deutlich etablierteren Begriff des „Unionsdesigns“ zugrunde.
Die begrifflichen Diskrepanzen mögen juristisch nicht sonderlich glücklich sein. Spannender ist aber natürlich, wie sich das EU-Reformpaket praktisch darstellt.
Grundlegende Änderungen betreffen dabei den Schutzgegenstand des Designs, bei dem die Definitionen von „Geschmacksmuster“ / „Design“ und „Erzeugnis“ erweitert werden.
1. Erweiterungen und Klarstellungen
Dabei bleibt es zwar im Grundsatz dabei, dass Geschmacksmuster / Design die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon darstellt, welche sich aus Merkmalen wie Linien, Konturen, Farben, Gestalt, Oberflächenstruktur oder Werksstoffen des Erzeugnisses oder seiner Verzierung ergibt. In diese Grunddefinition werden aber nun auch Elemente der "Bewegung, der Zustandsänderung und jeder anderen Art der Animation dieser Merkmale" aufgenommen, was eine wesentliche Erweiterung begründet. Denn damit werden beispielsweise auch dynamische und fluide Gestaltungsfacetten von nun an ausdrücklich in den Designschutz einbezogen, was vorher nicht der Fall war.
Außerdem wird klargestellt, dass sich der Ausdruck „Erzeugnis“ nicht auf den körperlichen Bereich beschränkt, sondern auch Gegenstände umfasst, die keine physische Form aufweisen, einschließlich grafischer Anwenderschnittstellen und grafischer Benutzeroberflächen. Damit werden unter anderem auch die Erscheinungsformen und Darstellungen digitaler Räume schutzfähig, was namentlich bei Computerspielen zum Tragen kommen dürfte. Die Reichweite und Aufnahme der praktischen Umsetzung ist insofern mit Spannung zu erwarten.
Neu und revolutionär ist hier freilich längst nicht alles. Dass etwa Bildschirmdarstellungen, wie die Gestaltung einer Webseite, dem Designschutz im Grundsatz zugänglich sind, hatte etwa das LG Düsseldorf in seinem Urteil vom 26.06.2013 – 12 O 381/10 U bereits vor über 10 Jahren auf der Grundlage der herkömmlichen Definition zugrunde gelegt. Dennoch ist die gesetzliche Klarstellung auch an dieser Stelle naturgemäß zu begrüßen.
Dagegen bleiben Computerprogramme vom Designschutz ausgenommen. Diese werden weiterhin ausschließlich dem Urheberrecht zugewiesen und sind damit kein Gegenstand von Registerrechten, woran die Designreform nichts geändert hat.
2. Chancen vertan?
An andere potentiell zukunftsträchtige Themen des Designschutzes hat sich der europäische Gesetzgeber hingegen (leider) nicht herangetraut.
a. Klang- und Tondesigns
So geriet in dem langjährigen Reformprozess ebenfalls in den Blick, ob auch nicht visualisierte Desgins wie künstlich geschaffene Geräusche (z.B. Motorengeräusche, künstliche Stimmen) einem Designschutz zugänglich sein sollen. Dies wurde gesetzlich nicht mitaufgenommen, was im Lichte des wachsenden Bedeutungsgehalts von Klang- und Tondesigns diskussionswürdig erscheint und einer fundierteren Auseinandersetzung bedurft hätte.
b. KI-generierte Designs
Und was ist mit KI-generierten Designs? Sollen auch diese vom Schutz erfasst sein? Darüber, ob Muster ohne menschlichen Entwerfer schutzfähig sind, streiten sich die Gelehrten. Hier hat es der europäische Gesetzgeber versäumt, für Klarstellung zu sorgen. Insofern hätte sich etwa ein Blick in das Vereinigte Königreich gelohnt, das bereits eine Regelung zu KI-Designs kennt. Daran hätte sich der EU-Gesetzgeber orientieren und diesen Bereich damit „gleich mit beim Schopfe packen können“. Dazu fehlte aber (wohl) erkennbar der Mut.
Die Designreform hat auch die Reparaturklausel zum Gegenstand.
Demnach können einzelne Teile bzw. Komponenten von zusammengesetzten Gegenständen (sog. „komplexe Erzeugnisse“) vom Designschutz ausgenommen sein. Dies betrifft formgebundene Teile, welche zur Reparatur dieser Gegenstände verwendet werden (sog. "Ersatzteile"). Formgebunden meint bei den einzelnen Bauteilen, dass deren Design von der Gestaltung des restlichen Erzeugnisses vorgegeben ist (sog. "must-match"-Teile) - so z.B. der Kotflügel eines PKWs, der sich in die Kanten und Wölbungen der Karosserie bestimmungsgemäß einfügen muss. Die Reparaturklausel erlaubt es Herstellern von Ersatzteilen hier, geschützte Designs zu nutzen, wenn es um die Produktion und Vermarktung sog. „must-match“- Ersatzteile geht.
Nicht vergessen werden darf bei solchen Ersatzteilen aber die Verpflichtung, dass die Kunden klar und deutlich (z.B. durch gut sichtbare Angabe auf dem Ersatzteil) über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Ersatzteils zu informieren sind. Die Ausnahme gilt zudem alleine für solche Ersatzteile, die zu Reparaturzwecken eingesetzt werden. Für die Händler und Hersteller besteht jedoch keine Pflicht, entsprechende Kontrollen vorzunehmen, um die tatsächliche Verwendung der Ersatzteile zu gewährleisten.
Für sog. formungebundene Teile, deren Gestaltung nicht von der des Erzeugnisses im Übrigen abhängt, gilt die Ausnahme hingegen nicht, obwohl dies der EuGH in seinem "Acasia-Urteil" vor einigen Jahren angenommen hatte. Dies verwundert zunächst. Die eindeutige gesetzliche Klarstellung ist aber (auch im Sinne der gebotenen Stärkung der Rechteinhaber) zu begrüßen, auch weil sie langjährige Abgrenzungsprobleme in diesem Bereich beendet.
Für Deutschland dürften sich hier freilich kaum wesentliche Änderungen ergeben, weil § 40a DesignG schon eine Reparaturklausel vorsieht. Andere Mitgliedstaaten, die keine solche Regel kennen, haben zu deren Einführung acht Jahre Zeit. Für das europäische Geschmacksmuster gab es mit Art. 110 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) ebenfalls schon vor der Reform eine entsprechende Schutzschranke.
Die Darstellung des Designs in der Anmeldung bestimmt den Schutzumfang, der sich nur auf die Erscheinungsmerkmale erstreckt, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben werden.
Zudem stand vor der EU-Reform in Streit, ob eine noch eine weitergehende Sichtbarkeit beim gewöhnlichen Gebrauch hinzutreten müsse. Dies wurde verschiedentlich gefordert, was dazu führen würde, dass sog. „versteckte“, eingebaute und dadurch für den Verkehr äußerlich nicht wahrnehmbare Erzeugnisse vom Schutz ausgenommen wären. Dem wird nun eine gesetzliche Absage erteilt, indem das Sichtbarkeitserfordernis alleine auf die Merkmale in der Anmeldung bezogen wird, nicht aber noch auf weitere Facetten wie den Gebrauch oder anderes.
Hier besteht die Hoffnung, dass auch diese Unklarheit durch die Designreform ein Ende finden wird, was der Rechtssicherheit an dieser Stelle zuträglich wäre.
Auch bei der Rechtegestaltung kommt es zu einigen Änderungen und Anpassungen:
1. Verletzungshandlungen im Zusammenhang mit 3D-Druck
Ein zentrales Problem des bisherigen Designschutzes war der 3D-Druck. Der Schutz stieß dort an seine Grenzen, wo etwa ein Händler eine Datei an einen Verbraucher gesendet hat, um diesem den 3D-Druck eines designverletzenden Erzeugnisses zu ermöglichen, was nicht als Designnutzung galt.
Um diese Schutzlücke zu schließen, werden nun solche Handlungen im Zusammenhang mit 3D-Druck zu Recht mitaufgenommen: Danach kann der Inhaber eines Designs jetzt auch „das Erstellen, Herunterladen, Kopieren und das Teilen oder Verbreiten von Medien oder Software, mit denen das Design aufgezeichnet wird, um die Herstellung eines Erzeugnisses […] zu ermöglichen“, untersagen.
Durch die Reform kann der Designinhaber nun unterbinden, dass 3D-Druckdateien kopiert oder verbreitet werden, um Nachahmungen zu verhindern. Dies bewirkt die überfällige Stärkung der Rechteinhaber in diesem Bereich.
2. Transitverbot
Entsprechendes gilt auch für die Transitregelung.
Danach ist die Einführung eines Designs in das Hoheitsgebiet der EU und deren Mitgliedsstaaten von nun an auch dann untersagt, wenn es (nur) zur Durchfuhr bestimmt ist (sog. Transitverbot). Damit soll gewährleistet werden, dass Designs, die nicht den Schutzvorschriften entsprechen, gar nicht erst in den europäischen Binnenmarkt gelangen. Auf der Grundlage kann nun eine Einfuhr von rechtsverletzenden Erzeugnissen solange verboten werden, bis der Durchführende nachgewiesen hat, dass dem Designinhaber im Bestimmungsland keine Unterlassungsansprüche zustehen.
So können rechtsverletzende Designs bereits bei der Einfuhr abgefangen werden.
3. Eintragungssymbol „D im Kreis“
Teil der Reform ist es auch, dass die Inhaber von eingetragenen Unionsgeschmacksmustern oder eingetragenen nationalen Designs jetzt mit einem „D im Kreis“ als Eintragungssymbol hinweisen bzw. ihre Muster auf diese Weise kennzeichnen können. Dritte sollen dadurch leichter und schneller auf die fremden Schutzrechte aufmerksam werden. Die Zukunft wird zeigen, wie dieses Symbol in der Praxis aufgenommen wird. Vorbild ist erkennbar das bei Marken gebräuchliche Eintragungssymbol „R im Kreis“.
Die neue Unionsgeschmacksmusterverordnung und die neue Designrichtlinie sehen daneben eine Reihe verfahrensrechtlicher Änderungen vor. Das Anmeldeverfahren soll erleichtert und die Ämter entlastet werden. Davon bleibt auch die Gebührenstruktur nicht unberührt.
1. Kein „one class“-Erfordernis mehr bei Sammelanmeldungen
Bisher mussten alle Designs in einer Sammelanmeldung zur gleichen Locarno-Klasse gehören. Diese Einschränkung entfällt – nun können Designs unabhängig von ihrer Klassifikation gemeinsam angemeldet werden. Dabei wird jedoch die Anzahl an Mustern, die in einer Sammelanmeldung eingereicht werden können, auf maximal 50 begrenzt, was vorher nicht der Fall war. Daran wird nun bei sehr umfangreichen Anmeldungen zu denken sein.
2. Gebührenänderungen
Zum Zwecke der Reduzierung des Verwaltungsaufwands beim EUIPO kommt es ebenfalls bei der Gebührenstruktur zu einigen Änderungen (der nachfolgende Überblick kann das an dieser Stelle nur andeuten, nicht aber erschöpfend behandeln):
Diese Anpassungen vereinfachen das System, bewirken aber (wohl) insgesamt nicht die angekündigten Gebührensenkungen.
Die EU-Designreform bringt einige Erneuerungen mit sich, an die betroffene Unternehmen in dem Bereich fortan denken sollten. Positiv ist namentlich, dass die Rechte der Designinhaber an die technologischen Entwicklungen angepasst werden (wie im Bereich des 3D-Drucks). Dies betrifft ausdrücklich auch den Schutzgegenstand des Designs, bei dem die Reform endlich den Weg ins digitale Zeitalter ebnet. Der von der Reform ausgehende Harmonisierungsschub ist mithin ingesamt zu begrüßen. Bei einigen Facetten (wie dem Eintragungssymbol "D im Kreis") wird abzuwarten sein, wie dem die Praxis begegnet. Etwas schade ist, dass der EU-Kommission wohl am Ende der Mut fehlte, sich an weitere neuralgische Bereiche (wie "Klang- und Tondesigns" und "KI-generierte Designs") heranzutrauen. Gerade an dieser Stelle ist eine Chance vertan worden.
Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.